Schmetterling und Taucherglocke

Vollkommen unverhofft wird ein Mittvierziger aus seinem Alltag gerissen und muss mit den Folgen einer schweren Erkrankung leben. Der vierfach Oskar-nominierte und mit zwei Golden Globes und der Goldenen Palme ausgezeichnete Film zeigt den siegreichen Kampf des Jean-Dominique Bauby.

Schmetterling und Taucherglocke (Le Scaphandre Et Le Papillon)
Drama, Frankreich 2007. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 112 Minuten.
Mit: Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Marie-Josée Croze, Anne Consigny, Max von Sydow u. a.
Regie: Julian Schnabel

Trotz Taucherglocke – ein klarer Sieg für den Schmetterling

Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) steht mitten im Leben. Er ist 43 Jahre alt, losgelöst von seiner Frau und Familie, um sich vollkommen seinem Berufsleben als Chefredakteur der französischen „Elle“ zu widmen. Sein Dasein besteht darin, sich den Emotionen der Modewelt hinzugeben und sich gedanklich am seiner Meinung nach Ästhetischen, wie zum Beispiel dem Aussehen schöner Frauen satt zu sehen. Unerwartet wird er aus seinem Alltag katapultiert, als ein Schlaganfall, eine Blutung im Hirnstamm, ihn in ein „Locked-in-Syndrom“ versetzt. Gefangen in seinem Körper, muss er miterleben, wie seine gesamten kognitiven und emotionalen Empfindungen weiterhin ihren Gang gehen, sämtliche körperlichen Funktionen jedoch vollkommen außer Kraft gesetzt sind – bis auf das linke Augenlid. Über dieses lernt er mit Hilfe einer Logopädin mit seiner Außenwelt in Kommunikation zu treten. Durch den Einsatz der Buchstaben des Alphabetes, sortiert nach der Häufigkeit des Vorkommens in der französischen Sprache, verfasst er seine Memoiren.

Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) noch mitten im Berufsleben.

Der Film beginnt für den Zuschauer aus einer extrem gewöhnungsbedürftigen Perspektive, der des Protagonisten Bauby. Die Sicht aus dem linken Augenlid heraus, empfindet man zuerst als beengt, verschwommen und unruhig. Julian Schnabel wählte diesen Weg sicherlich, um dem Außenstehenden die Gefühlswelt Jean-Dominiques zu vermitteln. Und dieses Mittel verfehlt seine Wirkung nicht im Geringsten. Beklemmend muss man mit zu sehen, wie Bauby zu Beginn seine Entscheidungsgewalt verliert und alles über sich ergehen lassen muss, was die Ärzte mit ihm unternehmen. Erst durch die Kommunikationsmöglichkeit mit dem linken Augenlid lernt er, in seiner Umgebung wieder seinen Mann zu stehen. Der Regisseur beschönigt die Situation nicht und schildert dem Zuschauer ziemlich eindrucksvoll, mit welchen Problemen und Vorurteilen eine Person in dieser Lage zu kämpfen hat. So muss sich der Kranke zum Beispiel dem Hohn und Spott zweier Telekommunikationstechniker aussetzen, die sich darüber belustigen, warum ein Mensch in einer solchen Situation überhaupt ein Telefon auf seinem Zimmer benötigt.

Trotzdem widerfährt es Jean-Dominique Bauby wie vielen anderen Menschen in ausweglosen Lagen: er erkennt erst jetzt, welche oberflächlichen Schönheiten bisher in seinem Leben dominierten und sieht nun die tiefe Schönheit des Lebens. Und dies gibt ihm den Halt und den Trost, sein Leben nicht vollkommen weg zu werfen, sondern dieses Leben mit seinen Möglichkeiten zu leben: „Als ich gesund war, war ich gar nicht lebendig. Ich war nicht da. Es war recht oberflächlich. Aber als ich zurückkam, mit dem Blickwinkel des Schmetterlings, wurde mein wahres Ich wiedergeboren“.

Auch wenn Mathieu Amalric als Patient eine dominierende Rolle einnimmt, lebt der Film, neben der Kameraarbeit, von den Personen in seinem Umfeld. Jeder der Schauspieler passt sich in die Stimmung des Films ein und fügt das Gesamtbild zu einem Runden zusammen. Der Zuschauer ist gebannt, gerührt, aber auch in der Lage, die unvorstellbare Kraft wahrzunehmen, die dieser Film vermitteln will.

Julian Schnabels Werk macht neugierig auf mehr. Der Zuschauer ist dazu angehalten, sich noch tiefer in die Gedankenwelt Baubys einzulassen und sich mit ihm zu identifizieren. Und wer dies noch intensiver tun möchte, kann dies in seinen Memoiren tun, die als Buch im Handel zu haben sind.

Fazit: Ein zum Nachdenken anregender Film, der in unserer schnelllebigen Zeit eine andere Schönheit zu vermitteln versucht. 10 von 10 Punkten.


Jean- Dominique zu Besuch bei seinem Vater.

Die Logopädin gibt Hilfestellungen.

DVD-Features

Sprachen: Deutsch, Französisch
Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial

Limitierte Edition erscheint im hochwertigen Einband mit einem Vorwort von Julian Schnabel
Abgetaucht Über die Entstehung von Schmetterling und Taucherglocke (13 Min.)
Augenblicke Janusz Kaminskis Kameravision (7 Min.)
Interview mit Julian Schnabel (21 Minuten)
Audiokommentar des Regisseurs
Original Trailer

Myriam E. Michel, 21. Oktober 2008. Bilder: Prokino (Fox).

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