Casino Royale (1967)

1967 kamen zwei Bond-Filme ins Kino, der offizielle, fünfte 007-Film Man lebt nur zweimal und die konkurrierende Parodie “Casino Royale”. Im Zuge der kommenden Veröffentlichung einer offiziellen, ernsthaften Adaption des ersten 007-Romans von Ian Fleming, hat sich Marius Joa die Parodie angesehen.

Agentenparodie UK/USA 1967. Regie: Val Guest, Kenneth Hughes, John Houston, Joseph McGrath und Robert Parrish. Frei nach dem Roman von Ian Fleming. 126 Minuten. FSK ab 12. Kinostart: 21. Dezember 1967.
Mit Peter Sellers, David Niven, Ursula Andress, Orson Welles, Joanna Pettet, Daliah Lavi, Woody Allen, Deborah Kerr, Terence Cooper, Barbara Bouchet, William Holden, John Houston u.v.a.

Nach einem Anschlag auf M, den Chef des britischen Geheimdienstes, wird Sir James Bond (David Niven) aus dem Ruhestand zurückgeholt, um dem Treiben der internationalen Terrororganisation SMERSH Einhalt zu gebieten. Dazu rekrutiert 007 u.a. Vesper Lynd (Ursula Andress), den Glücksspielexperten Evelyn Tremble (Peter Sellers) und die Tochter von Mata Hari (Joanna Pettet). Tremble soll, als 007 getarnt, den SMERSH-Agenten „Le Chiffre“ (Orson Welles) beim Bakkarat besiegen. Doch auch Bonds Neffe Jimmy Bond (Woody Allen) und eine ganze Horde anderer Agenten haben noch ihre Finger im Spiel.

“Casino Royale” wurde bereits 1954 verfilmt, als einstündiges Fernsehspiel für die US-Sendereihe “Climax!”, mit Barry Nelson als amerikanisierten „Jimmy“ Bond und Peter Lorre als „Le Chiffre“, denn die Verfilmungsrechte seines ersten 007-Romans hatte Fleming nicht an die Macher der anderen Filme, sondern anderweitig verkauft. Weil man darin die einzige Möglichkeit sah, der erfolgreichen 007-Filmreihe Paroli zu bieten, entschied man sich bei MGM für eine Parodie. Produzent Charles K. Feldman bot dem damaligen 007-Darsteller Sean Connery die Hauptrolle an. Doch dieser wollte eine Million als Gage. Zu viel fand Feldman und castete David Niven, der bereits im Vorfeld des ersten Films einer der Kandidaten für die Rolle des Doppel-Null-Agenten war.

Das Original-Kinoplakat.

Das ganze Projekt erwies sich bald als chaotische Geld-Vernichtungsmaschine. Ursprünglich sollte der Film im Dezember 1966 in die Kinos kommen, aber die ständigen Verzögerungen bei den Dreharbeiten, die von Januar bis November 1966 dauerten, sorgten dafür, dass er erst im April 1967 veröffentlicht konnte. Das anfängliche Budget von 6 Millionen Dollar musste man schließlich verdoppeln. Somit war “Casino Royale” sogar noch teurer als der im Sommer des gleichen Jahres anlaufende reguläre 007-Film “Man lebt nur zweimal“, der etwa 11,5 Millionen kostete. Ähnlich rasant wie das Budget erhöhte sich mit der Zeit auch die Anzahl derer, die auf dem Regie-Stuhl saßen. Val Guest beendete schließlich das Projekt, bei dem die Regisseure John Houston, Ken Hughes, Robert Parrish und Joe McGrath nacheinander das Handtuch geworfen hatten. Neben den drei im Abspann genannten Autoren sollen außerdem die Schauspieler Woody Allen und Peter Sellers sowie Val Guest, Billy Wilder und weitere am Drehbuch beteiligt gewesen sein. Das Mitwirken der vielen Stars soll nicht gerade dazu beigetragen haben, dass die Dreharbeiten sehr professional abliefen. Woody Allen flüchtete nach seinem lange verschobenem letzten Drehtag gleich in Richtung Flughafen, um nach Hause zu fliegen. Peter Sellers und Orson Welles waren derart verfeindet, dass ihre gemeinsamen Szenen getrennt gedreht wurden. Während Welles auf die Einbeziehung seiner Zaubertricks in den Film bestand, nahm es sich Sellers heraus, während des Drehs öfters mal für Tage zu verschwinden. Kurz vor Ende der Dreharbeiten wurde er von Produzent Charles K. Feldman gefeuert. Deswegen spielt er auch im „großen“ Finale keine Rolle. Neben den genannten Schauspielern in Haupt- und den größeren Nebenrollen sind in “Casino Royale” noch weitere internationale Filmstars vertreten, wenn auch manche nur mit kurzen Cameos, z.B. Jean-Paul Belmondo, Peter O’ Toole, David Prowse, Jacqueline Bisset oder Vladek Sheybal, der in “Liebesgrüße aus Moskau” den Strategen Kronsteen spielte.

Es lässt sich erahnen, dass das Chaos bei der Entstehung einen Einfluss auf das Endprodukt hatte. Storymäßig ist “Casino Royale” nämlich genauso wirr und chaotisch. Das Ganze hat das Feeling eines albernen Episodenfilms, da die einzelnen Handlungselemente nur unzureichend miteinander verbunden sind. Deshalb wirkt der Film wohl auch in die Länge gezogen. Ein konstantes Gag-Feuerwerk liegt hier auch nicht vor, viele Pointen zünden einfach nicht. Trotzdem sind ein paar lustige Szenen, teilweise mit Wortwitz, dabei. Wegen letzterem sollte man sich den Streifen auch in der Originalfassung anschauen, besonders der Charakter von Agent Mimi/Lady Fiona McTarry, gespielt von Leinwandlegende Deborah Kerr, kommt hier besser zur Geltung. Am Klimax des Chaos befindet man sich dann im „großen“ Finale des Films, das leider fast komplett humorfrei ist. Ansonsten kann man dem Film nur noch zugute Haltung, dass er eine unerwartete Wendung bereit hält.

Das musikalische Titelthema hört man fast die ganze Zeit über, was es zu einem möglicherweise nervtötenden Ohrwurm machen kann. Bei den für die 60er Jahre wirklich aufwendigen Sets kann man sehen, wo zum großen Teil das viele Geld geblieben ist. Überspitzt könnte man sagen, dass sich Ian Fleming (1908-1964) wohl im Grabe umgedreht hätte, wäre er in den etwas zweifelhaften Genuss dieses Streifens gekommen. Das Ergebnis des von Insidern als „Mini-Cleopatra“ bezeichneten Films: eine wirre Revue allerlei Film-Diven garniert mit ein paar Gags.

Fazit: Chaotische 007-Parodie ohne Linie, aber mit vielen Stars. Echte Bond-Fans sollten den Film einmal gesehen haben, aber mehrmals muss nicht sein. 4 von 10 Punkten. Glücklicherweise kein offizieller James-Bond-Film.

DVD-Features:

Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch (jeweils Mono)
Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Finnisch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch für Hörgeschädigte

Sprach- und untertiteltechnisch ist die DVD zwar ordentlich ausgestattet, was alles Übrige betrifft, jedoch mehr als mangelhaft. Die Rückseite des DVD-Cover enthält viele Druckfehler, die Namen einiger Mitwirkender sind unvollständig. Als „Bonusmaterial“ sind hier nur zwei Trailer vorhanden.

Marius Joa, 15. November 2006. Bilder: MGM/Columbia Pictures.


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