Der goldene Kompass

Seit Peter Jacksons Herr der Ringe-Trilogie (2001-2003), dem ersten Teil der Chroniken von Narnia (2005) und dem enttäuschenden Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter (2006) hat ein Fantasy-Blockbuster in der Vorweihnachtszeit Tradition. Mit Der Goldene Kompass hat nun der erste Teil einer weiteren Trilogie den Weg ins Kino gefunden. Marius Joa hat das Buch gelesen und natürlich den Film gesehen.

Der Goldene Kompass (The Golden Compass)
Fantasyfilm, USA 2007. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 113 Minuten.
Mit: Dakota Blue Richards, Nicole Kidman, Daniel Craig, Sam Elliott, Eva Green, Ben Walker, Tom Courtenay, Derek Jacobi, Christopher Lee u.v.a. Drehbuch und Regie: Chris Weitz. Nach dem Roman von Philip Pullman

Großes Effekte-Feuerwerk

In einer Parallelwelt, die der unseren teilweise ähnelt, sich aber auch unterscheidet, hat jeder Mensch einen tierischen Begleiter (einen so genannten Dæmon) bei sich, der eine Art äußere Manifestation der Seele darstellt. Die 12-Jährige intelligente und rebellische Lyra Belacqua (Dakota Blue Richards) wächst als Waisenkind am renommierten Jordan College in Oxford auf. Durch ihre Neugier verhindert sie einen Giftanschlag auf ihren Onkel Lord Asriel (Daniel Craig), einen berühmten Forscher. Dieser hat durch Forschungen am Nordpol Beweise für die Existenz von Parallelwelten gefunden. Eine Tatsache, die das übermächtige Magisterium, ein obrigkeitliches Kontrollorgan der Menschen, nicht zugeben will. Die Leiter des Colleges gewähren Asriel dennoch die Finanzierung für weitere Nachforschungen.
Daraufhin taucht eine weitere Wissenschaftlerin in Jordan auf, die undurchsichtig-majestätische Mrs. Coulter (Nicole Kidman). Sie will für ihre Forschungen, die ebenfalls im Norden stattfinden sollen, Lyra als Assistentin gewinnen. Lyra ist anfangs begeistert. Vom Rektor des Colleges erhält sie den geheimnisvollen Goldenen Kompass, der die Wahrheit preisgibt, wenn man ihn lesen kann. Lyra soll die Existenz des Kleinods allerdings geheim halten. Zunächst scheint ihr das Leben an der Seite der viel beschäftigten Mrs. Coulter zu gefallen, doch dann erfährt das Mädchen, dass die mysteriöse Frau das Oberhaupt der Gobbler ist, die Kinder entführen und ihnen Schreckliches antun.
Lyra flieht daraufhin mit ihrem Dæmon Pan und gewinnt neben dem Seefahrervolk der Gypter sowie dem Luftschiffkapitän Lee Scoresby (Sam Elliott) auch den gepanzerten Kampfbären Iorek Byrnison als Verbündeten. Gemeinsam mit diesen macht sich Lyra daran, die entführten Kindern, darunter auch ihren besten Freund Roger (Ben Walker), zu finden. Im Norden stößt sie auf die schrecklichen Taten der Gobbler und erfährt von der wahren Identität ihrer angeblich verunglückten Eltern.

Lyra Belacqua (Dakota Blue Richards).

Philip Pullman, Literatur-Professor an der englischen Elite-Universität Oxford, veröffentlichte mit Der Goldene Kompass 1995 den ersten Band seiner His Dark Materials-Trilogie. Band 2 und 3, Das Magische Messer und Das Bernstein-Teleskop, folgten. Da seit dem cineastischen Siegeszug des Herr der Ringe das Interesse Hollywoods an großen Fantasy-Stoffen wuchs, sicherte sich New Line Cinema die Rechte an der Trilogie Pullmans. Mit dem Amerikaner Chris Weitz (American Pie) war auch schnell ein Regisseur gefunden. Doch dieser sprang ab, weil er sich zum damaligen Zeitpunkt nicht imstande sah, den immens aufwändigen Film zu inszenieren. Anand Tucker, sein Nachfolger, verließ die Produktion aufgrund kreativer Differenzen, so dass schließlich Weitz doch zurückkehrte. Nebenbei schrieb er eine Neufassung des Drehbuchs.

Für die Hauptrolle der Lyra fiel die Wahl unter 100.000 Mädchen auf die damals 13-Jährige Dakota Blue Richards. Für die Britin war es nicht nur die erste Hauptrolle, sondern auch der erste Film überhaupt. Daneben agieren mit Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman, James-Bond-Darsteller Daniel Craig, seinem ersten Bond-Girl Eva Green und dem Westernstar Sam Elliott einige Hochkaräter. Zusätzlich geadelt wird die Besetzung durch Kurzauftritte von Theaterikone Sir Derek Jacobi und dem alleinigen Rekordschauspieler Sir Christopher Lee. In der Originalfassung werden die Dæmonen der wichtigsten Charaktere von Stars wie Freddie Highmore, Kathy Bates und Kristin Scott Thomas gesprochen. Den beiden Eisbären leihen Sir Ian McKellen und Ian McShane ihre Stimmen. An Starpower mangelt es dem Film also wahrlich nicht.

Gedreht wurde das 150-Millionen-Dollar-Projekt unter anderem in der Schweiz, in Großbritannien und, wie sollte es anders sein, am Nordpol. Der Aufwand wurde durch den Begleiter, den jeder Mensch durch CGI-Effekte bekommt, nicht gerade weniger. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Effekte-Abteilung der Produktion ganze Arbeit geleistet hat, denn Der Goldene Kompass zeigt ein vollkommenes Effekte-Feuerwerk und hat außerdem tolle Landschaftsaufnahmen zu bieten. Nicht nur die Dæmonen, sondern auch die Eisbären und die Hintergründe sind mehr als gelungen. Der Look der Parallelwelt, die als technisierte Alternative des frühen 20. Jahrhunderts dargestellt wird, kann sich sehen lassen.

Das Problem liegt, wie schon beim 2006er-Blockbuster Eragon, in der unzureichenden Länge des Films. Knapp zwei Stunden sind für die umfangreiche Story zu wenig. Zwar gelingt es Weitz, die wichtigsten Elemente des Buches in einer recht zusammenhängenden und halbwegs verständlichen Version auf die Leinwand zu bringen, doch bleibt dem Zuschauer das Finale verwehrt. Der Film wirkt so völlig unabgerundet. Die Entscheidung, die letzten beiden Kapitel des ersten Romans auf Teil 2 zu verschieben, ist schlicht und einfach falsch, denn zum Zeitpunkt, als sich der Zuschauer auf ein gelungenes Finale freut, wird der Film abrupt ausgebremst und endet. Die kurze Laufzeit hat auch zur Folge, dass die Story an manchen Stellen etwas überhastet wirkt. Während Dakota Blue Richards in ihrer ersten Rolle mehr als überzeugen kann und Nicole Kidman eine herrliche, subtil-eiskalte Mrs. Coulter gibt, können die übrigen Schauspieler aufgrund der geringen Screentime wenig aus ihren Rollen heraus holen.

Dass das fehlende Finale vermutlich gedreht wurde, beweisen Schnipsel aus den ersten Trailern. Warum also nicht den Film 30 Minuten länger schneiden und dafür sowohl Finale rein nehmen und zusätzlich etwas Tempo raus nehmen? Besonders erstaunlich ist, dass Regisseur Chris Weitz, der für seine Komödie bekannt ist, den Humor völlig außen vor lässt. Im Buch zumindest gibt es einige witzige Stellen – eine wohl dosierte Portion Humor hätte dem Film sicher auch gut getan. Für Kinder unter 12 Jahren ist der Film aufgrund seiner Brutalität gegen Ende sicherlich nicht geeignet. Bei der Synchronisation hätte man sich zudem entscheiden sollen, ob die Eigennamen deutsch oder englisch ausgesprochen werden.

Was bleibt ist ein fast durchgängig unterhaltsamer Fantasy-Streifen mit hervorragenden Effekten in toller Optik sowie teilweise sehr überzeugenden Darstellern. Doch das fehlende Ende verhindert, dass Der Goldene Kompass in der ersten Liga der Fantasy-Filme mitspielen kann. Bleibt nur zu hoffen, dass durch die verschobenen Szenen die Adaption des zweiten Bandes nicht zu überfrachtet wird. Daniel Craig ließ kürzlich verlauten, dass ein erster Drehbuchentwurf zu Das Magische Messer bereits teilweise fertig sei. Zwei Jahre wird es aber noch mindestens bis zur Fortsetzung dauern.

Fazit: Unterhaltsame Fantasy mit tollen Effekten und zwei guten Darstellerinnen, der allerdings durch das fehlende Ende den Zuschauer unbefriedigt sitzen lässt. 7 von 10 Punkten.


Eiskalt: Mrs. Coulter.

Auf der Suche nach Staub: Lord Asriel.

Der wilde Eisbär Iorek hilft Lyra.
Marius Joa, 13. Dezember 2007. Bilder: New Line Cinema

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