Persepolis

Marjane, aus einer gut situierten Familie kommend und in ihrem Denken zwar beeinflusst, doch frei, erlebt den Krieg zwischen Iran und Irak am eigenen Leib. Sie flüchtet nach Wien und kehrt nach Jahren in ihre Heimat zurück – in der sie sich kaum noch wohlfühlen kann…

Persepolis
Trickfilm, Frankreich 2007. 95 Minuten.
Besetzung: Chiara Mastroianni, Catherine Deneuve, Danielle Darrieux, Simon Abkarian, Gabrielle Lopes Benites, Gabrielle Lopes, François Jerosme, Arié Elmaleh, Mathias Mlekuz, Jean-François Gallotte, Stéphane Foenkinos, Tilly Mandelbrot, Sean Penn, Iggy Pop, Gena Rowlands. Regie: Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi, Drehbuch: Vincent Paronnaud, Marjane Satrapi, Marjane Satrapi.

Leben in verschiedenen Welten

Marjane ist noch ein Kind, als sie in ihrer Heimat, dem Iran, erstmals mit Krieg und Unterdrückung konfrontiert wird. Sie muss miterleben, wie ihr Onkel, der vormals gegen den Schah rebellierte, schließlich vom neuen, noch härteren Regime verhaftet und hingerichtet wird. Als Marjanes Eltern befürchten, dass ihrer Tochter das gleiche passieren könnte wie vielen anderen Mädchen: dass sie willkürlich und „aus moralischen Gründen“ verhaftet und vor ihrer Hinrichtung mit einem Soldaten verheiratet würde (Jungfrauen dürfen aus religiösen Gründen nicht hingerichtet werden), halten sie es für besser, Marjane ins Ausland zu schicken. So kommt sie nach Wien, wo sie bei der besten Freundin ihrer Mutter leben soll – doch diese schiebt sie nach kürzester Zeit in ein christliches Heim ab, wo sie nur bei den sozialen Außenseitern Kontakt findet.

Schon in ihrer Kindheit erfährt Marjane viel Ablehnung.

Nach und nach wächst Marjane heran und lebt ihr mehr oder weniger geregeltes Leben bei einer alten Philosophieprofessorin, ohne jedoch ihre Wurzeln zu vergessen. Nachdem sie mehrere Kriege und schlimmste Zustände nahezu problemlos hinter sich ließ, droht sie schließlich an dem Tiefschlag, dass ihre große Liebe fremdging, zu verzweifeln. Sie lebt auf der Straße und findet erst nach der Rückkehr zu ihren Eltern in den Iran etwas Ruhe, nimmt noch einmal Anlauf ins Leben und studiert in ihrer Heimat Kunst. Die Zustände jedoch haben sich nicht gebessert, ganz im Gegenteil: sie findet als Frau keinerlei Achtung, und so heiratet sie Hals über Kopf, um wenigstens mit ihrem Freund offen umgehen zu können. Als sie feststellt, dass die Heirat eine Fehlentscheidung war, erkennt sie zusammen mit ihrer Familie, dass der Iran kein Ort mehr für sie ist, an dem sie leben kann, da sie zu stark von den westlichen Werten geprägt und zu freiheitsliebend ist, um in den Engen des islamischen Regimes ihr Glück finden zu können. Sie wandert nach Frankreich aus und steht wieder vor einem neuen Anfang.

Marjane, die wir im Laufe des Filmes von ihrer Kindheit bis zum Dasein als junge Erwachsene begleiten, sprüht vor Lebenslust und lebt den Widerstand gegen Autoritäten – und das in der kalten Umarmung des Krieges zwischen Iran und Irak und in einer islamisch geprägten Gesellschaft. Neben dem geschichtlichen Hintergrund, den der Film (basierend auf der gleichnamigen Comic-Reihe) vermittelt, erhält der Zuschauer tiefe Einblicke in die sozialen Zustände des Irans der 70er und 80er Jahre, das Gefühlsleben der Betroffenen, die Religion und ihre Zwänge – und in die Ängste derer, die gezwungen sind, sich anzupassen oder der Anpassung zu entfliehen. Neben liebenswerten Charakteren und einer Beleuchtung von allen Seiten trägt vor allem die meist in schwarz-weiß gehaltene Comicumsetzung zum besonderen Charme dieses Filmes bei. So bestehen die Zeichnungen auch in grausamen Situationen aus Andeutungen, Träumen, Ängsten, und am Ende steht doch das Leben, das wieder Farbe gewinnt. Die Einfachheit unseres von westlichen Idealen geprägten Seins und die Verstrickungen der Gesellschaften – dies alles vermag dieser Film aufs beste darzustellen. Die weise Großmutter mit ihren kecken Sprüchen und Lebensweisheiten, der zynische Blick auf die Untergrundkulturen und Großstadtgesellschaften Wiens und das Augenzwinkern der ersten Liebesenttäuschungen tun ihr übriges, um den Zuschauer in den Kinosessel zu fesseln, ihn mitzureißen und zu Tränen zu rühren, zum Lachen zu bringen und zum Nachdenken anzuregen.

Fazit: Selten so tief von einem Film bewegt worden – großartiges Kino! 10 von 10 Punkten.

Sventja Franzen, 13. Dezember 2007. Bilder: Prokino.


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