Slumdog Millionär

Acht Oscars erhielt Slumdog Millionär bei der Verleihung 2009. Der Film erzählt die Geschichte des jungen Jamal, der beim indischen „Wer wird Millionär“ sogar die letzte Frage beantworten kann. Ist der Hype gerechtfertigt? Johannes Michel war im Kino und hat den Film bewertet.

Slumdog Millionär (Slumdog Millionaire)
Drama, Großbritannien/USA 2008. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 120 Minuten. Deutscher Kinostart: 19. März 2009
Mit: Dev Patel, Freida Pinto, Anil Kapoor, Irrfan Khan, Saurabh Shukla, Rajendranath Zutshi, Jeneva Talwar, Azharuddin Mohammed Ismail, Ayush Mahesh Khedekar u.v.a. Regie: Danny Boyle

Ein Leben in den Slums

Mit Bollywood, also der indischen Version von Hollywood, verbinden viele Filmfans vor allem bunte Farben, viel Gesang und Tanz und zumeist eine recht dünne Story, die nach einigen Höhen und Tiefen einem guten Ende entgegensteuert. Eines dieser Elemente hat Slumdog Millionär, der Abräumer bei den Oscars 2009, auch zu bieten. Bollywood ist er aber nicht.

In jungen Jahren verlieren der kleine Jamal Malik (Dev Patel) und sein großer Bruder Salim (Madhur Mittal) ihre Mutter und müssen sich zusammen in den Slums von Mumbai (Bombay) durchschlagen. Mit 18 Jahren bewirbt er sich bei der indischen Version von „Wer wird Millionär“ und räumt den Hauptgewinn von 20 Millionen Rupien ab, was etwa 300.000 Euro entspricht und in Indien natürlich ein riesiges Vermögen ist. Aber: Der Moderator der Quizshow verdächtigt ihn des Betrugs und übergibt ihn der Polizei, die mit inhumanen Verhörmethoden die Wahrheit herausfinden will. Dabei erinnert sich Jamal zurück an seine Kindheit und an seinen Erfolg in der Fernsehshow. Auch seine Jugendliebe Latika (Freida Pinto) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Etwas Gutes vorweg: Jamal ist kein Betrug nachzuweisen.

Der kleine Jamal in der Slumtoilette.

Es gibt Filme, die prangern tragische Missstände an, die es ohne Frage auf der Welt haufenweise gibt und gehen damit dem Zuschauer ungewollt gehörig auf die Nerven. Nein, wenn Filme auf die Tränendrüse drücken und so Mitleid erregen wollen, macht Kino keinen Spaß. Slumdog Millionär behandelt auch ein Thema, das in den Nachrichten nur wenig Beachtung findet: Die Situation vieler Einwohner Indiens, die noch immer in Slums und in unerträglichen Verhältnissen leben müssen. Dabei gelingt es dem Film, dem Zuschauer eben nicht auf die Nerven zu gehen.

In 120 Minuten werden sowohl Jamals Gewinn bei „Wer wird Millionär“ als auch die wichtigsten Stationen seines Lebens nachgezeichnet. Dabei spart Regisseur Danny Boyle in keinster Weise mit schonungslosen Bildern, die zwar auch ein fortschrittliches Indien zeigen – der Schwerpunkt liegt aber ganz wo anders. Kinder wohnen auf Müllbergen, Frauen waschen die Kleidung in dreckigen Flüssen und Seen, die Polizei ist korrupt und interessiert sich nicht einmal für einen Mord, der direkt vor ihren Augen geschieht. Slumdog Millionär führt vor, dass es auf unserem Planeten an vielen Ecken und Enden keineswegs gerecht zugeht. Denn Geld haben wieder einmal nur wenige, und die beschäftigen sich meistens mit illegalen Geschäften.

Insbesondere die Bilder sind es, die Slumdog Millionär zu einem guten Film machen. Aber, nicht zu vergessen, ohne gute Schauspieler geht nichts. Und obwohl die Darstellerriege nicht aus bekannten Schauspielern besteht, könnte deren Leistung kaum besser sein. Auch die Darsteller, die die Protagonisten noch zu Kinderzeiten spielen, geben dem Film Herz und scheinen, trotz des ernsten Themas, Spaß an ihrem Spiel zu haben.

Noch ein Detail am Rande: Der Film lief in Bamberg nur in einem kleinen Programmkino mit einem Saal, der allerdings an einem Samstagabend hoffnungslos überfüllt war. Sogar Stühle mussten die Betreiber noch zustellen. Das beweist: Slumdog Millionär ist mehr als nur ein Film für Spezialisten und mehr als nur ein Werbefilm für die Sendung „Wer wird Millionär“. Ähnlich wie No Country For Old Men im vergangenen Jahr regt er zu Diskussionen an und schafft Momente, die so schnell kein Kinobesucher mehr vergessen wird.

Fazit: Verdienter Oscar-Sieger 2009 und ein Film, der nicht wieder in einigen Monaten vergessen sein wird. 9 von 10 Punkten.


Jamal bei „Wer wird Millionär“.

Latika, Jamals Traumfrau, freut sich über das Wiedersehen.

Salims Leben nimmt ein tragisches Ende.
Johannes Michel, 1. April 2009. Bilder: Prokino

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