Vorne ist verdammt weit weg

Vor 15 Jahren erfand der Journalist und Kabarettist Frank-Markus Barwasser die fränkische Figur Erwin Pelzig, die ihm seitdem durch viele Bühnenauftritte, Radiosketche und eine Talksendung (mittlerweile sogar in der ARD) große Beliebtheit eingebracht hat. Da darf ein Kinofilm natürlich nicht lange auf sich warten lassen. Marius Joa über Vorne ist verdammt weit weg.

Vorne ist verdammt weit weg
Komödie Deutschland 2007. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 97 Minuten.
Mit: Frank-Markus Barwasser, Philipp Sonntag, Peter Lohmeyer, Christiane Paul, Franziska Schlattner, Tobias Oertel, Martin Eschenbach u.v.a. Regie: Thomas Heinemann. Drehbuch: Frank-Markus Barwasser & Thomas Heinemann.

Aufgemerkt! Die Komödie des Jahres!

Durch eine Unachtsamkeit verursacht Erwin Pelzig (Frank-Markus Barwasser) einen Unfall seines Nachbarn Griesmaier (Peter Lohmeyer), der dadurch für vier Woche außer Gefecht gesetzt wird. Aus Angst, dass Griesmaier, Vater von sieben Kindern, seinen Job als Chauffeur bei dem Einkaufswagen-Hersteller Bieger verliert, springt Pelzig schließlich ein. Nach kurzer Zeit erkennt er, dass er die ganze Firma retten muss, um Griesmaiers Arbeitsstelle zu erhalten. Firmenchef Eduard Bieger (Philipp Sonntag) findet nach seiner achtmonatigen Reha alles verändert vor. Seine Tochter Melanie (Franziska Schlattner) hat diverse deutsche Mitarbeiter entlassen und durch zum Teil überqualifizierte, billige Arbeitskräfte aus dem Ausland ersetzt. Der schmierige Unternehmensberater Kienze (Tobias Oertel) schlägt Bieger vor, die 1200 Beschäftigten zu entlassen, um die Firma dann in die billige Mongolei zu verlegen. Der alte Bieger scheint das noch verhindern zu können, doch als dessen Sohn Bertram (Martin Eschenbach) seinen Aktienanteil verkauft, droht der Chef die Macht in seiner eigenen Firma zu verlieren. Pelzig weiß, dass er handeln muss und so wendet er sich in seiner Not an die ehemalige Wirtschaftsanwältin Chantal (Christiane Paul), die nun als Edel-Prostituierte gutes Geld verdient.

Nach den Erfolgen im Radio, auf Tournee durch ganz (Süd-)Deutschland, und mit der Kabarett-Talksendung Aufgemerkt! Pelzig unterhält sich, die seit Ende Oktober auch in der ARD läuft, war ein Kinofilm der logische Schritt für den Würzburger Frank-Markus Barwasser und seine fränkische Kunstfigur Erwin Pelzig (Kennzeichen Kordhütli und Herrenhandtäschli). Mit seinem Weggefährten Thomas Heinemann, der im Theater am Neunerplatz zu Würzburg erste Auftrittsmöglichkeiten für Pelzig gab, schrieb Barwasser das Drehbuch und produzierte. Heinemann führte Regie. Allen Hardcore-Fans sei gleich gesagt, dass Pelzigs Kameraden Hartmut und Dr. Göbel nicht im Film vorkommen.

Ein Kabarettist/Comedian, der einen Film macht? Das artet meist darin aus, dass die alten und bekannten Gags des Betreffenden aufgewärmt und notdürftig in eine Filmhandlung gesteckt werden, was aber auch zu guten Ergebnissen (wie bei den meisten Filmen von Otto Waalkes) führen kann. Aber nein, diesen Weg beschreitet Vorne ist verdammt weit weg ausdrücklich nicht. Es gibt eine zusammenhängende und ziemlich realitätsnahe Story, die nicht zwangsläufig auf den Hauptcharakter Pelzig zugeschnitten ist. Neben ihm gibt es mit Philipp Sonntag, Peter Lohmeyer und Christiane Paul noch weitere „Stars“, deren Charaktere in punkto Tiefe Pelzig gegenüber gleichwertig sind.

Den Autoren Barwasser und Heinemann ist es glänzend gelungen, aus den Eigenheiten Pelzigs und einer leicht überspitzten, aber relativ realistischen Story ein ausgewogenes Drehbuch zu machen. So amüsant er auch ist, so sind die Motive des Films leider bittere Realität: Der eiskalte Unternehmensberater, der für Gewinnmaximierung über Leichen geht und mit Pseudo-Anglizismen um sich wirft, drohende Massenentlassungen und die Verlagerung der Produktion ins billige Ausland. Wo billige Arbeitskräfte aus dem Ausland auf den Binnen-Arbeitsmarkt drängen, werden natürlich die teureren deutschen Arbeitnehmer entlassen.

Die große Stärke des Films, neben dem in der Story absichtlich als Fremdkörper agierenden Hauptcharakter, sind die köstlichen Dialoge und die genialen Zitate aus der Feder von Frank-Markus Barwasser, die durchgehend für Lacher sorgen. Die glänzenden Sprüche machen den Film jedenfalls zu einet universellen Sammlung Pelzig’scher Weisheiten. Auch die gut aufgelegten Schauspieler, allen voran natürlich Barwasser und Christiane Paul, sorgen für amüsante 90 Minuten.

Für Unterfranken ist mit dem Film natürlich auch ein Stück Heimat verbunden, denn außer in München, Leipheim und Erfurt drehte man auch in Schweinfurt, Würzburg, Kitzingen (Heimatstadt des Rezensenten) und im Mainfrankenpark (vor einer vom Rezensenten gern besuchten Kneipe). Da kann man als Zuschauer sicherlich bekannte Locations aus der Gegend erkennen.

So hart es klingt: Vorne ist verdammt weit weg gelingt das, was einigen anderen deutschen Komödien abgeht: witzig zu sein ohne bemüht zu wirken.

Fazit: Mit seinen toll aufgelegten Schauspieler, genialen Dialoge und Zitaten ist Barwasser & Co nicht nur eine realitätsnahe Komödie, sondern die Komödie des Jahres gelungen. Solche Filme braucht der (Kino-)Standort Deutschland! 9 von 10 Punkten.


Biegers Kinder wollen ihren Vater aus der Firma kegel.

Bieger und sein Aushilfschauffeur Erwin Pelzig.

Im Krankenhaus.
Marius Joa, 20. Dezember 2007. Bilder: NFP/Cinenic Filmproduktion/BR.


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