Im Tal von Elah

Regisseur Paul Haggis widmet sich in Im Tal von Elah einer sowohl aktuellen als auch brisanten Thematik. Ob dem Kanadier seine neue Gesellschaftsstudie gelungen ist, berichtet Myriam E. Michel.

Im Tal von Elah ( In the Valley of Elah)
Drama, USA 2007. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 122 Minuten. Deutscher Kinostart: 6. März 2008.
Mit: Tommy Lee Jones, Charlize Theron, Jason Patric, Susan Sarandon, Jonathan Tucker, James Franco u. a. Regie: Paul Haggis.

Die negativen Folgen des „David-gegen-Goliath“-Syndroms

Im Tal von Elah zeigt das Schicksal des jungen US-Soldaten Mike Deerfield (Jonathan Tucker, Law and Order), der nach einem elfmonatigen Einsatz im Irak zu seinem Militärstützpunkt in die USA zurückkehrt. Nach einem Freigang bleibt dieser seiner Basis fern und ist verschwunden. Sein Vater Hank Deerfield (Tommy Lee Jones, Men in Black, No Country For Old Men), informiert über das Verschwinden seines Sohnes durch das Militär, erkennt in diesem Verhalten seinen Sohn nicht wieder und vermutet dahinter eine schlimmere Ursache. Angetrieben durch den Verdacht eines Verbrechens macht er sich eigenmächtig auf die Suche nach Mike. Als schließlich verstümmelte Leichenteile gefunden werden, die eindeutig auf die Identität seines Sohnes hinweisen, versucht die Militärpolizei dies als simplen Drogenmord abzuhandeln. Der pensionierte Militärveteran vermutet hinter dem Mord jedoch ein wesentlich tiefgründigeres Geschehen und kann für seine Ermittlungen die junge Polizistin Emily Sanders (Charlize Theron, Monster) gewinnen. Durch Nachforschungen in der Szene, die sein Sohn regelmäßig in seiner Freizeit mit Soldatenkollegen aufsucht, eröffnet sich für den Vater ein vollkommen neues Bild. Aufklärung über das widersprüchliche Verhalten des Sohnes geben Hank Deerfield auch Fotos und Videos des Mobiltelefones von Mike, die den Ermordeten in ein vollkommen neues Licht rücken lassen und auch das erschütternde Ende des jungen Soldaten zu erklären versuchen könnten.

Deerfield rastet bei der Suche nach dem Mörder aus.

Betrachtet man Paul Haggis Lebenslauf genauer, erkennt man, dass der ursprüngliche Modefotograf schon lange im Filmgeschäft aktiv ist. Doch erst mit dem Drama L. A. Crash, das er 2004 als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent in Personalunion abdrehte, schaffte der gebürtige Kanadier den absoluten Durchbruch und gewann für den Film Oscars für Drehbuch und bester Film. Seither hört man den Namen Haggis nicht nur in Bezug auf gesellschaftskritische Filme, sondern auch bei Action-Thrillern wie Casino Royale und Quantum of Solace, dem neuen Bond-Film aus dem Jahr 2006 und dem, der im November 2008 bei uns in den Kinos erscheinen wird. Und überall scheint der Regisseur ein Händchen dafür zu haben, denn was er anpackt und durchzieht, wird gelobt. Kann man also für sein Werk Im Tal von Elah auch ein großes Lob aussprechen?

Vermutlich können nur Menschen, die bibelfest sind mit dem Titel des Films etwas anfangen. Im Tal von Elah fand im alten Testament der Kampf des späteren Königs der Israeliten, David, gegen den Riesen Goliath, der auf Seite der Philister stand, statt. Der beim Kampf noch junge und von Statur kleine David bezwang den Riesen mit einer Steinschleuder. Dass für diese Handlung eine große Portion Mut, vermutlich aber auch mit enormer Furcht verbunden, nötig ist, steht außer Frage. Genau dieses Bild überträgt Paul Haggis auf die im Film handelnden Charaktere. Mike Deerfield, der durch die erschütternden Ereignisse, die er in seinem Irak-Einsatz miterlebt, jeglichen Mut verliert, ruft den Vater zu Hause an und erzählt: „Es ist etwas Schlimmes passiert“. Er hat nur noch den Wunsch, den Irak zu verlassen und nach Hause zurück zu kehren. Sein Vater, selbst Militärveteran, der gelernt hat, für sein Vaterland immer mit großem Einsatz zu kämpfen, spricht dem Sohn Mut zu, durchzuhalten. Die psychische Belastung seines Sohnes bleibt aber weiterhin existent.

Das posttraumatische Syndrom ist in der Psychologie, vor allem bezogen auf Soldaten, ein sehr ernstes Thema. Menschen, die aufgrund ihrer Kriegserlebnisse ihr Verhalten komplett ändern, um mit den erlebten Erschütterungen klar zu kommen. Häufig stumpfen sie komplett ab und können Rechts- von Unrechtsbewusstsein kaum trennen. Unter diesen einschneidenden Veränderungen haben nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Angehörige zu leiden. Dies zeigt der Regisseur in einer seiner Nebenhandlungen auf, die von Gewalt im häuslichen, familiären Bereich handelt. Ein weiterer Nebenstrang zeigt das berufliche Mobbing auf, von dem die junge, engagierte Polizistin Sanders betroffen ist, die als einzige den Vater des toten Soldaten bei der Aufklärung mit allen Mitteln unterstützt.

Haggis führt sowohl in der Hauptrolle des Vaters, als auch in der Nebenrolle der Mutter, Joan Deerfield (Susan Sarandon) stark gespielte Charaktere ein. Der Vater, verbittert auf der Suche nach dem Mörder, lässt sich nur Schwäche anmerken, als er glaubt, den Täter gefunden zu haben und auf diesen gewaltsam losgeht. Seine Frau, Joan, zeigt, wenn auch nur kurze, aber intensiv gespielte Szenen, in denen sie versucht, trotz ihres Leides und der Gewissheit, dass ihr das Militär nun schon den zweiten Sohn geraubt hat, die Facon zu wahren.

Im Tal von Elah ist, so gesehen, ein Film starker Kontraste: Auf der einen Seite erschütternde Momente. Für den Zuschauer besonders eindrucksvoll geschildert das Verhör eines Mittäters, der den Mord schildert und von der Mimik jedoch wirkt, als würde er sich nicht gerade das Verstümmeln des Mitsoldaten vorstellen, sondern das genüssliche Grillen eines Hähnchen, das er zum Abendessen vorbereitet. Aber auf der anderen Seite ist es auch ein Film, der Momente aufweist, in denen der Zuschauer dazu aufgefordert ist, zu warten, bis das nächste Ereignis ihn wieder ins Rollen bringt und ihm wieder Spannung verleiht. Und aus genauso diesem Punkt kann man klar sagen, dass der Film zwar Lob verdient hat, jedoch kein so großes wie Paul Haggis L. A. Crash, in dem der Kinobesucher von der ersten bis zur letzten Minute in den Film involviert war und der rote, durchgängige Faden nicht abgerissen ist.

Fazit: Erschütternde, jedoch zeitweise mit angezogener Handbremse erzählte Geschichte, die vermutlich vielerorts Realität ist. 8 von 10 Punkten.


Joan Deerfield ist über den Tod des Sohnes verzweifelt.

Emily Sanders will den Mörder finden.

Hank Deerfield entschuldigt sich beim unschuldigen Soldaten.
Myriam E. Martin, 16. März 2008. Bilder: Concorde

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