Borgia

2011 war quasi das Jahr des Hauses Borgia. Gleich zwei TV-Serien behandelten die spanisch-italienische Adelsfamilie. Während der US-Sender Showtime Die Borgias (mit Jeremy Irons) veröffentlichte, schickte das ZDF eine internationale Ko-Produktion mit dem einfachen Titel Borgia ins Rennen um die Gunst der öffentlich-rechtlichen Zuschauer. Doch wie atemberaubend ist letztere Serie?

 

 

4-10Borgia: Staffel 1 (Borgia: Faith And Fear)
Historienserie Deutschland/Frankreich/Italien/Österreich/Tschechien 2011. FSK: keine Jugendfreigabe. 12 Folgen. Gesamtlänge: ca. 664 Minuten (Director’s Cut, PAL-DVD).
Mit: John Doman, Mark Ryder, Stanley Weber, Isolda Dychauk, Marta Gastini, Diarmuid Noyes, Andrea Sawatzki, Art Malik, Assumpta Serna, Christian McKay u.v.a. Idee: Tom Fontana

Borgia 01_DVD

 

Historiendrama als Schundroman

Rom im Jahre 1492. Während Papst Innozenz VI. (Udo Kier) im Sterben liegt, wetteifern die Kardinäle der Kurie schon um seine Nachfolge. Dank erfolgreicher Intrigen und lukrativer Korruption gelingt es Kardinal Rodrigo Borgia (John Doman) die Wahl zum Kirchenoberhaupt zu gewinnen. Als Papst Alexander VI. ist das Oberhaupt einer aus Spanien stammenden Adelsfamilie weiterhin bestrebt, den Einflussbereich seiner Sippe zu erweitern. Mit Cesare (Mark Ryder), Juan (Stanley Weber) und Lucrezia (Isolda Dychauk) schart Rodrigo/Alexander seine drei ältesten Kinder aus der Verbindung mit einer ehemaligen Geliebten Vanozza de’ Cattanei (Assumpta Serna) um sich. Cesare, der zum Wohle der Familie aber gegen seine Überzeugungen eine höhere geistliche Laufbahn einschlagen muss, beneidet seinen scheinbar sorglosen Bruder Juan, der als Feldherr und Stratege wirken darf. Die gerade einmal dreizehnjährige Tochter Lucrezia wird aus politischen Gründen sogleich erstmalig verheiratet. Weitere Titel und Ämter für Mitglieder des Borgia-Clans folgen. Doch der neue Papst strebt auch danach, die strategische Stellung des Kirchenstaates im fragilen Europa zu festigen…

Borgia 01_Familie Rodrigo und seine Kinder Juan, Cesare und Lucrezia

Zu den schillernden Clans Europas gehört auch die spanisch-italienische Adelsfamilie Borgia. Bis heute fasziniert sie einige Historiker und Künstler. Und das sogar so sehr, dass 2011 zwei Serien über den Borgia-Clan an den Start gingen. Als Nachfolger seiner erfolgreichen Historienserie Die Tudors (2007-2010) produzierte der amerikanische Bezahlsender Showtime Die Borgias, kreiert und geschrieben vom irischen Oscar-Preisträger Neil Jordan (The Crying Game, Interview mit einem Vampir). Doch auch eine „Verschwörung“ diverser europäischer TV-Sender und Medien-Unternehmen (u.a. CANAL+, EOS Entertainment sowie ZDF und ORF) machten sich an eine eigene, europäische Version der Familien-Saga. Bei Borgia fungiert der Amerikaner Tom Fontana, bekannt für Serien wie Oz und Homicide, als ausführender Produzent und Chefautor. Stab und Besetzung könnten internationaler nicht sein. Die Darsteller kommen aus 18 Nationen, zu den Regisseuren der ersten Staffel gehörten mit Oliver Hirschbiegel (Der Untergang) und Christoph Schrewe (Der Seewolf, 2008) auch zwei Deutsche.

Gedreht wurde die hauptsächlich im Vatikan spielende Serie nicht etwa dort, sondern in den Barrandov-Studios zu Prag und an anderen Schauplätzen in Tschechien. Die erste Staffel war mit einem Budget von 25 Millionen Euro nicht gerade preiswert und das sieht man auch deutlich. Mit viel Liebe zum künstlerischen Detail wurden die Kulissen erstelltund Kostüme gefertigt. Borgia hatte also durchaus die Produktionswerte und das Potenzial das europäische Äquivalent einer aufwändigen HBO-Historienserie wie Rom zu werden. Doch Fontana und sein Autoren-Team haben da wohl gewaltig etwas missverstanden. Es genügt für ein authentisches TV-Historiendrama eben nicht, möglichst viele Intrigen sowie Sex- und Gewaltszenen aneinander zu reihen. Doch genau diesem völlig falschen Ansatz verfällt die Serie schon im Lauf der ersten paar Folgen.

Als gelungen dürfte die zweite Folge betrachtet werden, in welcher auf recht anschauliche Weise die Bestechungen und anderen Machenschaften während der Konklave zur Papstwahl 1492 dargestellt werden. So oder ähnlich könnte sich die Wahl von Rodrigo Borgia zum Heiligen Vater abgespielt haben. Doch nach und nach lässt die Handlung eine stringente Dramaturgie fast komplett vermissen. Das hat zur Folge, dass dem Zuschauer selbst mit vorhandenen geschichtlichen Vorkenntnissen beim Durcheinander an Machtspielen, Bündnissen und finsteren Zielen der Durchblick verloren geht oder sich gar nie einstellt. So wirkt das ganze Geschehen bisweilen, als hätte man die Sünden, der man die Familie Borgia vor allem im Nachhinein bezichtigte, möglichst Effekt heischend aufbereitet. Denn zu oft scheint es Hauptzweck der jungen Darstellerinnen um Isolda Dychauk (Lucrezia) zu sein, ihre nackten Körper zu präsentieren.

Generell wirkt die Schauspielleistung eher durchwachsen, was aber auf die fehlende Charakterisierung der handelnden Personen zurück zu führen ist. John Doman (The Wire) spielt das Familienoberhaupt mit präziser Präsenz. Als Cesare gelingt es Mark Ryder immerhin zu vermitteln, dass seine Figur innerlich so zerrissen ist wie die Handlung der Serie. Stanley Weber (C’est la vie) hat mit Juan eine recht undankbare Rolle. Der älteste Borgia-Sohn fällt nämlich meist dadurch auf, dass er ständig in einer anderen Frau steckt. Und so bleibt am Ende die Erkenntnis, dass sich Borgia in punkto Tiefgang und Dramaturgie gar nicht so sehr vom übrigen ZDF-Programm unterscheidet.

Fazit: Aufwändige Kulissen, detailreiche Kostüme und ein zahlreiches Figurenensemble. Doch die Macher von Borgia verwechseln übertriebene Gewaltdarstellung, viel Sex und Intrigen mit Tiefgang. So verkommt das Historiendrama zum TV-Schundroman. 4 von 10 Punkten.

 

 

Borgia 01_Damen
Giulia Farnese, Adriana De Mila und Lucrezia Borgia
Borgia 01_Papst
Rodrigo Borgia wird Papst Alexander

 

 

 

DVD-Features

Sprachen: Deutsch, Englisch.
Untertitel: keine

Bonusmaterial

Diverse Trailer
Borgia-Tagebücher (106 Min.)
Geheimnisse von Borgia – Hinter den Kulissen (36 Min.)
Der Fall Borgia (Dokumentation, 44 Min.)

 

Das Highlight der 7-DVD-Box der ersten Staffel von Borgia ist keine der zwölf Episoden, sondern die ZDF-Doku Der Fall Borgia, nach welcher man sich die Serie eigentlich sparen kann.

 

Marius Joa, 13. November 2013. Bilder: BETA/Studiocanal/ZDF.

 

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Spartacus: Blood And Sand (4/10)
Odysseus (2013) (5/10)


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