Ein Klassiker unter den ZDF-Abenteuervierteilern und seit seiner Erstausstrahlung an Weihnachten 1966 ein fester Bestandteil deutscher TV-Kindheitserinnerungen.
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Die Schatzinsel (1966)
TV-Abenteuer-Vierteiler Deutschland/Frankreich 1966. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 4 Teile. Gesamtlänge: ca. 340 Minuten.
Mit: Michael Ande, Ivor Dean, Kurt Waitzmann, Walter Richter, Ernst Fritz Fürbringer, Friedrich Joloff, Hans Caninenberg u. v. a.
Regie: Wolfgang Liebeneiner. Nach dem Roman von Robert Louis Stevenson.
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Im England des 18. Jahrhunderts wird der junge Jim Hawkins eher zufällig in ein großes Abenteuer hineingezogen. Eine geheimnisvolle Schatzkarte, rätselhafte Gestalten und das Versprechen von Reichtum führen ihn auf eine gefährliche Seereise. Gemeinsam mit erfahrenen Seeleuten sticht er in See, ohne zu ahnen, dass sich unter der Mannschaft loyale Freunde ebenso befinden wie Menschen mit ganz eigenen Interessen. Besonders der charismatische Schiffskoch John Silver bleibt lange schwer einzuschätzen. Auf dem Weg zur sagenumwobenen Insel geraten Vertrauen, Moral und Mut immer wieder auf die Probe – ein klassisches Abenteuer, das vom Erwachsenwerden, von Versuchungen und von Entscheidungen erzählt, deren Folgen man erst spät erkennt.
Eine der größten Stärken des ZDF-Vierteilers liegt in seiner ungewöhnlich großzügigen Laufzeit. Mit insgesamt mehreren Stunden Erzählzeit kann sich Die Schatzinsel etwas erlauben, das heutigen Produktionen oft fehlt: Geduld. Die Geschichte wird nicht gehetzt, sondern entfaltet sich Schritt für Schritt. Figuren bekommen Raum zur Entwicklung, Beziehungen wachsen , und auch Spannungen bauen sich langsam, aber nachhaltig auf. Gerade Jim Hawkins’ Wandel vom Jungen zum verantwortungsbewussten jungen Mann wird glaubwürdig und nachvollziehbar erzählt, weil der Film ihm diese Zeit zugesteht. Ebenso profitieren ambivalente Figuren wie John Silver von dieser Erzählweise: Sie bleiben widersprüchlich, faszinierend und nie eindimensional.
Auch Atmosphäre spielt dabei eine große Rolle. Der Vierteiler nimmt sich Zeit für das Leben im Gasthaus, für den Alltag an Bord des Schiffes und für die stetig dichter werdende Stimmung, je näher man dem Ziel kommt. Das Meer wird nicht nur zur Kulisse, sondern zum eigenen Erlebnisraum. Die ruhige, teilweise fast bedächtige Inszenierung sorgt dafür, dass Spannung nicht durch permanente Action entsteht, sondern durch Erwartung und Unsicherheit. Unterstützt wird dies von der Musik und der sorgfältigen Ausstattung, die dem Ganzen ein beinahe episches Gefühl verleihen.
Natürlich merkt man der Produktion ihr Entstehungsjahr an. Das Erzähltempo ist langsamer als bei modernen Abenteuerserien, manche Szenen wirken heute zurückhaltender inszeniert. Doch genau darin liegt für viele Zuschauer auch der besondere Reiz. Die Schatzinsel vertraut auf Geschichte, Figuren und Atmosphäre statt auf schnelle Effekte – und gewinnt dadurch eine zeitlose Qualität, die bis heute funktioniert.
Die Schatzinsel ist auf DVD verfügbar und aktuell auch in der ZDF-Mediathek abrufbar.
Fazit: Am Ende bleibt ein Vierteiler, der seinem Ruf als Klassiker mehr als gerecht wird. Die lange Laufzeit ist kein Selbstzweck, sondern das Fundament einer sorgfältig erzählten Abenteuergeschichte, die Raum zum Eintauchen lässt und lange nachwirkt. 9 von 10 Punkten.
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Johannes Michel, 19. Dezember 2025. Bilder: Concorde.


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