Im Unter Vieraugen-Podcast war der Film Flammendes Inferno aus dem Jahr 1974 Thema der Folge 20. Der Klassiker ist auch heute noch ein gutes Beispiel für einen funktionierenden Katastrophenfilm. Und das liegt an vielen Dingen, die er richtig macht …
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Flammendes Inferno (The Towering Inferno)
Katastrophenfilm USA 1974. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 165 Minuten. Kinostart: 14. November 1974 (USA), 6. März 1975 (BRD).
Mit: Steve McQueen, Paul Newman, William Holden, Faye Dunaway, Fred Astaire, Richard Chamberlain, O.J. Simpson, Robert Vaughn u.a. Nach The Tower von Richard Martin Stern sowie The Glass Inferno von Thomas N. Scortia und Frank M. Robinson. Drehbuch: Stirling Silliphant. Regie: John Guillermin.

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Katastrophenfilmklassiker ohne Patriotismus – dafür mit erstaunlicher Aktualität
In San Francisco wird ein neues Prestigeprojekt eröffnet: ein fast 140 Stockwerke hoher Glasturm, das höchste Gebäude der Welt. Während im 134. Stockwerk Politiker, Unternehmer und andere Ehrengäste feiern, entdeckt Architekt Doug Roberts Unregelmäßigkeiten in der Elektrik. Kurz darauf bricht im 81. Stockwerk ein Brand aus. Was wie ein kleiner Zwischenfall wirkt, entwickelt sich rasch zu einem massiven Feuer, das sich unkontrolliert nach oben ausbreitet.
Die Feuerwehr von San Francisco rückt mit voller Stärke an. Unter der Leitung von Chef Michael O’Hallorhan beginnt ein dramatischer Kampf gegen die Flammen, während Roberts versucht, die Ursache für die katastrophalen Baumängel aufzudecken und die Eingeschlossenen in Sicherheit zu bringen.
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Im Unter Vieraugen-Podcast war Flammendes Inferno auch Thema. Hört rein in Folge 20 …
Flammendes Inferno zählt zu den prägenden Katastrophenfilmen seiner Zeit – und zu jenen Werken, die erstaunlich gut gealtert sind. Die Geschichte konzentriert sich nicht auf weltbedrohende Ereignisse, sondern auf ein Szenario, das sich real ereignen könnte: ein Hochhausbrand, entstanden durch fahrlässige Einsparungen bei der Sicherheit. Dadurch wirkt der Film bis heute erschreckend zeitlos und glaubwürdig.
Besonders stark ist die zurückhaltende Inszenierung. Statt patriotischer Überhöhungen oder drastischer Effekte setzt der Film auf eine nüchterne Darstellung der Bedrohung. Das Szenario könnte überall spielen – San Francisco ist hier nicht viel mehr als geografischer Rahmen. Der Verzicht auf nationale Symbolik und heroische Zuspitzung verleiht dem Film eine universelle Note.
Der Spannungsbogen ist durchdacht. Obwohl der erste Brand früh im Film ausbricht, entfaltet sich das wahre Ausmaß erst im Laufe der Handlung. Technische Fehlfunktionen, menschliche Fehleinschätzungen und die Eigenheiten des Gebäudes greifen glaubwürdig ineinander. Besonders die detailreich gestalteten Kontrollräume mit ihren Lampenfeldern, Schaltsystemen und großflächigen Anzeigen erzeugen ein Gefühl authentischer 70er-Jahre-Technik – charmant altmodisch, aber funktional.
Die Besetzung gehört zu den größten Stärken des Films. Steve McQueen als Feuerwehrchef und Paul Newman als Architekt bilden ein eindrucksvolles Duo. Beide spielen nicht überzeichnet, sondern mit einer unaufdringlichen Autorität, die im Gedächtnis bleibt. Ihre Interaktionen zeichnen den Weg von anfänglichen Vorwürfen bis hin zu gegenseitigem Respekt überzeugend nach. Ebenso gelingt es dem Film, unterschiedliche gesellschaftliche Perspektiven zu bündeln – von Bauherren über politische Entscheidungsträger bis zu Sicherheitskräften.
Erzählerisch bietet der Film mehr als reine Katastrophenunterhaltung. Im Kern steht Kritik am Größenwahn einer Bauwirtschaft, die mit immer höheren Bauten prahlt, ohne ausreichende Sicherheitskonzepte zu berücksichtigen. Die Botschaft des Films ist heute vielleicht sogar relevanter als zur Premiere, siehe etwa den Brand des Greenfell-Towers in London im Jahr 2017.
Trotz der gelungenen Dramaturgie bleiben manche Nebenfiguren oberflächlich, insbesondere weibliche Rollen, die kaum Raum zur Entwicklung erhalten. Dies ist einerseits der Erzähltradition der 1970er geschuldet, andererseits ein Punkt, den heutige Produktionen sicher anders lösen würden.
Handwerklich überzeugt der Film auch 50 Jahre später. Die Modellaufnahmen des Hochhauses wirken nach wie vor eindrucksvoll, die Innenräume mit ihren Glasflächen, offenen Foyers und großzügigen Treppenhäusern vermitteln einen glaubwürdigen Blick auf eine damalige Vorstellung moderner Architektur. Die Länge von 165 Minuten erlaubt es, die Eskalation der Katastrophe schrittweise zu zeigen und die verschiedenen Handlungsebenen sinnvoll miteinander zu verweben.
Der Film ist im Streaming bei diversen Anbietern verfügbar sowie auf BluRay und DVD erhältlich.
Fazit: Flammendes Inferno bleibt ein herausragender Vertreter des Katastrophengenres. Die Mischung aus realistischem Szenario, gesellschaftskritischen Untertönen und starken Hauptdarstellern macht den Film zu einem zeitlosen Klassiker, der auch heute noch bestens funktioniert. 9 von 10 Punkten.
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Johannes Michel, 14. November 2025. Bilder: Warner/20th Century Fox


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