Das Parfum

Selten wurde eine deutsche Kinoproduktion so heiß erwartet wie die Verfilmung des Bestsellers “Das Parfum”. Endlich ist es nun soweit und die Zuschauer können die deutsche Megaproduktion im Kino bestaunen. Johannes Michel schreibt, inwieweit der Film den großen Erwartungen gerecht werden kann.

(The Perfume – Story Of A Murderer)
Literaturverfilmung Deutschland/Frankreich/Spanien 2006.
Regie: Tom Tykwer. Nach dem Roman von Patrick Süskind. 147 Minuten. FSK ab 12.
Mit: Ben Whishaw, Dustin Hoffman, Alan Rickman, Rachel Hurd Wood, Karoline Herfurth, David Calder, Jessica Schwarz, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr, Otto Sander u.v.a.

Anziehend, ekelhaft, beeindruckend

„Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Mann, der zu den genialsten und abscheulichsten Gestalten dieser an genialen und abscheulichen Gestalten nicht armen Epoche gehörte. Seine Geschichte soll hier erzählt werden. Er hieß Jean-Baptiste Grenouille. […] Zu der Zeit, von der wir reden, herrschte in den Städten ein für uns moderne Menschen kaum vorstellbarer Gestank. […] Und natürlich war in Paris der Gestank am größten, denn Paris war die größte Stadt Frankreichs. Und innerhalb von Paris wiederum gab es einen Ort, an dem der Gestank ganz besonders infernalisch herrschte, […] einen Marktplatz für Viktualien. Hier nun, am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreichs, wurde am 17. Juli 1738 Jean-Baptiste Grenouille geboren.“
So beginnt der Roman “Das Parfum” von Patrick Süskind aus dem Jahr 1985 – und auch (in Auswahl) der Film von Tom Tykwer.

Parfumeur Baldini weist Grenouille in sein Geschäft ein.

Grenouille, der zuerst in einer Gerberei arbeitet und später zum Parfumeur aufsteigt, kennt nur ein Ziel: Er will den ultimativen Duft, den Duft der Düfte, kreieren und geht dafür über Leichen. Dabei mordet er und hinterlässt, wo er geht und steht, verbrannte Erde. Sogar nach seiner Verhaftung kann er sich erwehren und entkommen. Und natürlich braucht ein Mann seiner Größe, der Gerüche kilometerweit identifizieren kann, einen Abgang, der ihm angemessen ist …

13 Mädchen müssen im Laufe des Films dran glauben, die weiteren Leichen, die Grenouille eher im Vorbeigehen produziert, gar nicht eingerechnet. In der Romanvorlage sind es 25 Mädchen, die weiteren Leichen ebenfalls nicht mitgezählt. Tom Tykwer hält sich also nicht in allen Punkten an Patrick Süskinds Roman, aber in den meisten. Es gelingt ihm hervorragend, die Bilder der dreckigen Metropole Paris zu zeigen und im Zuschauer ein Ekelgefühl hervorzurufen. Gerade die ersten Minuten sind für zart beseidete Kinogänger nicht gerade ohne.

Hervorzuheben sind die erstklassigen Leistungen der Akteure. Der bisher relativ unbekannte Ben Whishaw zeigt, dass er ohne Probleme mit Hollywoodgrößen mithalten kann. Der gelernte Theaterschauspieler verkörpert Grenouille sehr nah an der Vorlage: So gut wie keine Mimik, dafür aber grauenvolle Taten. Im Vergleich zum Roman kommt er vielleicht ein bisschen zu brav rüber, ein Vorwurf, der allerdings für den gesamten Film gelten kann.

Auch Dustin Hoffmann zeigt sein Können als Parfumeur Baldini. Leider ist sein Auftritt, bezogen auf den 147 Minuten langen Film, doch recht kurz. Wer den Roman gelesen hat, wird davon aber nicht überrascht sein. Alan Rickman, der den Vater eines jungen Mädchens spielt, das ebenfalls auf der Liste von Grenouille steht, hinterlässt ebenfalls einen bleibenden Eindruck.

Aufgrund der FSK 12-Einordnung sind einige Szenen leider etwas zu brav geraten. Dies fängt bei Grenouille selbst an, der im Buch als „Zecke“ und „Blutsauger“ bezeichnet wird, im Film aber einen teilweise bemitleidenswerten Eindruck erweckt. Die Massenorgie in der Stadt Grasse, Höhepunkt des Romans, fällt etwas kurz aus und zeigt wenige Details.

Ansonsten gibt es wenig zu kritisieren. “Das Parfum” gehört mit Abstand zu den besten deutschen Kinoproduktionen der vergangenen Jahre. Dank der internationalen Besetzung und einem hervorragend agierenden Ben Whishaw wird er sicher auch in einigen Jahren noch eine Referenz darstellen.

Fazit: Ein Film, der das Potenzial deutscher Macher eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die Romanvorlage von Patrick Süskind wird in den meisten Punkten 1:1 umgesetzt. 9 von 10 Punkten.


Will seine Tochter retten: Antoine Richis.

Fängt den „Duft der Frauen“ ein: Jean-Baptiste Grenouille.

Grenouille schleicht sich an das Mirabellenmädchen heran.
Johannes Michel, 19. September 2006. Bilder: Constantin.


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Kommentare

3 Antworten zu „Das Parfum“

  1. Avatar von Marius Joa
    Marius Joa

    Unverfilmbar?

    Im größten Gestank den man sich seinerzeit auf der Welt vorstellen kann, am Pariser Fischmarkt, wird am 17. Juli 1738 Jean-Baptiste Grenouille geboren. Weil seine Mutter (Birgit Minichmayr) ihn im Abfall liegen lassen wollte, wird sie hingerichtet und Grenouille kommt in ein Waisenhaus. Mit 13 Jahren wird er an die Gerberei des gewalttätigen Grimal (Sam Douglas) verkauft, wo er schwer schuftet, aber durchs Leben kommt. Bereits als Säugling zeichnet sich Grenouille (Ben Whishaw) durch einen unvorstellbaren Geruchssinn aus, der die verschiedenen Gerüche in ihre kleinsten Elemente zerlegt. Dieses grenzenlose Talent macht ihn zum Lehrling beim alternden Parfumeur Baldini (Dustin Hoffman). Als er jahrelang einsam in einer Höhle lebt, entdeckt Grenouille zu seinem Entsetzen, dass er keinen Eigengeruch besitzt. Im Parfumeurs-Mekka Grasse angekommen, beginnt er an seinem Lebenswerk zu arbeiten, dem perfekten Duft. Doch für sein geniales Parfum benötigt er die Gerüche junger unschuldiger Frauen.

    1985 erschien der Roman Das Parfum und wurde zum größten deutschen Weltbestseller seit Erich-Maria Remarques Im Westen Nichts Neues. Der zurückgezogen lebende und medienscheue Autor Patrick Süskind sträubte sich lange gegen eine Verfilmung und gestand lediglich Stanley Kubrick die Fähigkeit zu, eine werkgetreue Adaption vollbringen zu können. Kubrick jedoch hielt den Stoff für unverfilmbar. Am Ende gelang es aber Bernd Eichinger, dem deutschen Produzenten schlechthin, die Rechte für geschätzte 10 Millionen Euro zu erwerben. Gemeinsam mit Andrew Birkin und Tom Tykwer schrieb Eichinger das Drehbuch und Tykwer (Lola rennt, Heaven) übernahm den Regiestuhl. Gedreht wurde in Barcelona und an Oringinalschauplätzen in der Provence. Mit etwa 50 Millionen Euro Budget ist Das Parfum der teuerste deutsche Film bisher. Neben internationalen Stars wie Alan Rickman (als Richis) oder Dustin Hoffman in Nebenrollen überzeugt der 25jährige Ben Whishaw (Layer Cake) als Antiheld Grenouille. Dazu kommt noch das Quartett von deutschen Schauspielerinnen, Corinna Harfouch und Birgit Minichmayr (beide in Der Untergang) sowie Jessica Schwarz und Karoline Herfurth. Als wichtiger Erzähler, der Romanpassagen teilweise fast wörtlich zitiert, fungiert Otto Sander (Das Boot). Um die ausschweifenden Beschreibungen von Gerüchen im Buch in den Film zu übertragen setzten die Macher auf eine Betonung des visuellen Aspektes. Der Pariser Dreck des 18. Jahrhunderts wird fast schonungslos dargestellt. Andere Beispiele für die starke Optik sind die leuchtend roten Haare der beiden Mädchen, die auf Grenouille den größten Einfluss haben, sowie die Farbe der blühenden Lavendelfelder in und um Grasse. Die große Massenorgie am Ende des Film ist sehr gelungen umgesetzt.
    Kritikpunkte an der Verfilmung bleiben jedoch nicht aus: 1. Zwischendurch hat der Film ein paar Längen. 2. Die Distanz, die der Leser im Buch zu Grenouille aufbaut, fehlt im Film völlig. Trotz seiner vielen Morde und seiner Bessessenheit hat man als Zuschauer eher Mitleid mit ihm. Manche Aspekte dieses für sich genialen Romans bleiben wohl doch unverfilmbar.

    Fazit: Tom Tykwers Adaption des Romans ist kein Meisterwerk, aber dennoch sehr gelungen. 8/10.

    Marius Joa, 19. September 2006

  2. […] Jahre nachdem Tom Tykwer Patrick Süskinds Roman Das Parfum verfilmt hat gibt es eine sechsteilige Serie, welche die Prämisse des Buches in die Gegenwart verlagert. Als […]

  3. […] die man wohlmöglich aus diversen anderen Serien (oder Filmen) kennt wie Rachel Hurd-Wood (Das Parfum, Tomorrow, When The War Began), Aisling Franciosi (The Fall – Tod in Belfast), Louise Brealey […]

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