Der seltsame Fall des Benjamin Button

Mit immensem Aufwand verfilmte David Fincher die Geschichte des Benjamin Button, der als Greis geboren und in der Folge immer jünger wird. Marius Joa hat sich den dreizehnfach für den Oscar nominierten Film angesehen.

Der seltsame Fall des Benjamin Button (The Curious Case Of Benjamin Button)
Drama/Mystery/Liebesfilm USA 2008. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 166 Minuten. Deutscher Kinostart: 29. Januar 2009.
Mit: Brad Pitt, Cate Blanchett, Julia Ormond, Taraji P. Henson, Jason Flemyng, Mahershalalhashbaz Ali, Tilda Swinton, Jared Harris, Phyllis Somerville u.v.a. Regie: David Fincher. Drehbuch: Eric Roth. Nach der Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald.

„Hab’ ich eigentlich schon erzählt, dass ich siebenmal vom Blitz getroffen wurde?“

Mit 13 Oscar-Nominierungen ist Der seltsame Fall des Benjamin Button einer der Top-Favoriten bei der 81. Verleihung des wichtigsten Filmpreises am 22. Februar 2009 in Hollywood. Der ansonsten auf Thriller wie Sieben oder Panic Room spezialisierte Regisseur David Fincher verfilmte mit dem Stoff über einen rückwärts alternden Mann eine Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald, dem Autor von Der Große Gatsby. Aber ist das alles wirklich soviel Oscar-Hype wert?

2005 in New Orleans. Während sich die Stadt auf das Eintreffen des (im Nachhinein betrachtet) verheerenden Hurrikans „Katrina“ vorbereitet, besucht Caroline (Julia Ormond) ihre 81jährige Mutter, Daisy Fuller (Cate Blanchett) im Krankenhaus. Daisy atmet schwer und weiß, dass sie bald sterben muss. Als Caroline aus dem Tagebuch eines gewissen Benjamin Button vorliest, beginnt die Geschichte dieses außergewöhnlichen Mannes.

New Orleans im Jahre 1918. Am letzten Tag des ersten Weltkriegs wird Benjamin Button unter tragischen und wundersamen Umständen geboren. Seine Mutter stirbt kurz nach der Geburt und sein Vater Thomas (Jason Flemyng), ein erfolgreicher Knopf-Fabrikant, setzt Benjamin vor einem Altenheim aus. Denn Benjamin ist zwar ein Baby, doch er sieht wie ein Greis aus. Auch weil man ihm nicht viel Zeit auf der Welt zuspricht, nimmt die liebenswerte Altenpflegerin Queenie (Taraji P. Henson) Benjamin bei sich auf.

Daisy und Benjamin treffen sich in der Mitte des Lebens.

Entgegen aller Vermutungen sieht Benjamin nicht dem Tod entgegen, sondern wird von Tag zu Tag gesünder. Er lernt Sprechen und Laufen. Mit zwölf lernt Benjamin den Menschen kennen, der sein Leben für immer prägen sollte, das Mädchen Daisy (Elle Fanning), niedliche sieben Jahre alt. Benjamin wächst weiter heran und wird ein angesehenes Mitglied der Hausgemeinschaft. Mit 18 verlässt er erstmals das Altenheim, um sein Glück als Seemann zu versuchen. Der Kapitän des Schleppers Chelsea, Mike (Jared Harris), lernt Benjamin und seine Arbeit zu schätzen.

Die Jahre vergehen und Benjamin trifft immer wieder auf Daisy, die als erwachsene Frau (Cate Blanchett) eine erfolgreiche Karriere als Ballett-Tänzerin startet. Einige Jahre sind die beiden getrennt, doch das Leben führt sie zur richtigen Zeit zusammen. Und Benjamin wird mit der Zeit immer mehr klar, dass er jünger wird und eines Tages als kleines Kind sterben wird.

Eine Verfilmung der Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald war schon in den 1990ern geplant, Regisseure wie Ron Howard, Steven Spielberg und Spike Jonze waren im Gespräch, mit Stars wie Tom Cruise und John Travolta als mögliche Hauptdarsteller. 2005 bekam schließlich David Fincher den Zuschlag und er verpflichtete Brad Pitt für die Hauptrolle. Ursprünglich war ein Kinostart im Mai 2008 geplant, aber vor allem die aufwendigen Computer-Effekte bei der Darstellung des jünger werdenden Benjamin waren dafür verantwortlich, dass sich der Start verzögerte.

Brad Pitts künstlich gealtertes Gesicht wurde für die frühen Lebensjahre des Titelcharakters digital auf die Gesichter einiger Größendoubles gesetzt. Für die Szenen, in denen Pitt komplett selbst spielte, benötigte er mitunter bis zu fünf Stunden in der Maske. Insgesamt ist der Film höchst aufwendig, die 150 Millionen Dollar wurden außerdem in die Kulissen und Kostüme investiert, um fast ein ganzes Jahrhundert in seiner Vielfalt zu zeigen. Und mit Brad Pitt, Cate Blanchett, Tilda Swinton und Julia Ormond ist auch eine beträchtliche Starbesetzung dabei.

Insgesamt ist Der seltsame Fall des Benjamin Button ein sehr gelungener Film, der außer dem Thema des rückwärts alternden Mannes keinerlei „phantastische“ Elemente aufweist. Leider sitzt der Knopf aber nicht ganz fest. Denn Drehbuchautor Eric Roth muss sich den Vorwurf gefallen lassen, von seinem Skript zu Forrest Gump ziemlich abgekupfert zu haben. Da wären die Freundschaft der Hauptfigur mit einem Schiffskapitän, deren gemeinsamer Umgang mit Prostituierten, eine Frau als große Liebe im Zentrum, die Begegnung mit eigentümlichen Personen und Berührungspunkte mit der amerikanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Natürlich war es für die Filmdramaturgie wichtig, den überschaubaren Inhalt der Kurzgeschichte mit mehr Substanz zu füllen, aber ein bisschen mehr neue Elemente wären sicherlich besser gewesen.

Dass Benjamin Button nicht so berührt wie Forrest Gump ist hält aber als Kritikpunkt nicht wirklich stand. Denn da wo „Gump“ zu Tränen rührt, macht „Button“ das Publikum nachdenklich. Und auch beim Humor kann der neuere Film überzeugen. So sorgen z.B. die immer wieder eingestreuten kurzen Erzählungen des alten Mannes, der siebenmal vom Blitz getroffen wurde (siehe Zitat oben) für konstante Erheiterung. Auch die Antithese zwischen Benjamins Aussehen und seinem geistigen Alter sorgt in seiner „Jugend“ für humorvolle Irritationen bei seinen Mitmenschen. Und nicht zu vergessen sind natürlich auch die eigentümlichen Figuren, wie beispielsweise Captain Mike, der einerseits den vom Vater vorgezeichneten Weg als Schlepperkapitän geht, aber bei seinen körpereigenen Tattoos seine Passion für die Kunst ausleben kann. Die Erfahrung, geliebte Menschen durch den Tod zu verlieren, muss Benjamin Button einige Male durchleben, was ihn natürlich prägt.

Schauspielerisch hält der Film, das was er verspricht. Brad Pitt spielt seine Figur angenehm zurückhaltend. Sein Charakter wird äußerlich immer jünger, innerlich reift und altert er aber genauso wie andere, was Benjamin Button zu eben jener interessanten Figur macht, die sich das ganze Leben über sich selbst wundert. Ausdruckstärker bewegt sich hier Cate Blanchett, ob in charakterlicher oder in tänzerischer Hinsicht. Da verblasst ihre Rolle als Katharine Hepburn in Aviator, für die Blanchett den Oscar gewann, schon fast. Die immer hervorragende Oscar-Preisträgerin Tilda Swinton spielt die frustrierte Gattin eines britischen Admirals, die Benjamin bei seinem Aufenthalt in Murmansk trifft und mit der er eine leidenschaftliche Affäre hat. Und auch Julia Ormond hat der Film sicherlich gut getan, nachdem sie im Vorjahr noch im mit Goldenen Himbeeren gestraften Thriller Ich weiß, wer mich getötet hat zu sehen war.

Neben den Königskategorien Film, Regie, Hauptdarsteller, Nebendarstellerin (Taraji P. Henson) und Drehbuch erhielt der Film auch Oscar-Nominierungen in fast allen kreativen und technischen Sparten. Ob Der seltsame Fall des Benjamin Button den ganzen Award-Hype verdient hat, muss jeder Zuschauer selbst entscheiden. Sicherlich gehört das Werk zu den besseren Vertretern der diesjährigen Filmpreis-Hochzeit.

Fazit: Bewegender Film über die Stationen des Lebens, der nachdenklich stimmt. 8 von 10 Punkten.

Marius Joa, 14. Februar 2009. Bilder: Warner Bros./Paramount.


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