Akte X – Staffel 1

Vor über 22 Jahren debütierte eine Serie im amerikanischen Fernsehen, welche als Wegbereiter für ein ganzes Genre in TV und Kino fungierte: Akte X. Bevor die unheimlichen Fälle des FBI ab morgen, 8. Februar, bei Pro 7 ihre unverhoffte Rückkehr mit neuen Folgen feiern, hat sich Marius Joa die erste Staffel nach langer Zeit noch einmal angesehen.


8-10Akte X: Die unheimlichen Fälle des FBI – Staffel 1 (X-Files: Season 1)
Mysteryserie USA/Kanada 1993/94. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 24 Folgen. Gesamtlänge: ca. 1.056 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 5. September 1994.
Mit: David Duchovny, Gillian Anderson, Jerry Hardin, William B. Davis u.a. Idee: Chris Carter.

Akte X_Staffel 1_DVD


Die Suche nach der Wahrheit beginnt

Vermutlich im Januar 1995 (oder kurz vorher) – ich war gerade 14 Jahre jung geworden – begann ich meine ersten Episoden von Akte X auf Pro 7 zu sehen, und zwar die letzten paar der ersten Staffel. Durch anschließende Wiederholungen der Anfangsepisoden entwickelte ich allmählich eine Faszination für die „unheimlichen Fälle des FBI“, obwohl ich Grusel und Horror damals (und eigentlich auch heute auch noch) nicht wirklich ertrage. Mit der zweiten Season, die ab September 1995 von Sender mit der roten Sieben gesendet wurde, schaute ich die Serie dann regelmäßig und immer gemeinsam mit meinem Vater. Dieses Ritual sollte bis zur Erstausstrahlung der allerletzten Folge von Akte X im deutschen Free-TV am 24. Februar 2003 bestehen bleiben. Als ich in den letzten Monaten peu à peu die 49 Folgen der ersten beiden Staffeln erneut sah, war fast als würde ich eine neue Serie entdecken. Denn obwohl ich mich an viele Handlungsdetails und wichtige Elemente erinnern konnte, so unterscheiden sich die beiden 20 Jahre auseinander liegenden Sichtungen (einige Episoden habe ich in den Jahren nach 1995 im Zuge von Wiederholungen nochmals gesichtet) in meiner Wahrnehmung gravierend. Dem erfahrenen Hobbyfilmkritiker mit 34, 35 Jahren fallen natürlich ganz andere Dinge auf als dem 14jährigen Schüler. Es wäre jedenfalls eine surreale, aber interessante Erfahrung die geniale Mysteryserie von Chris Carter nochmals mit den (besseren) Augen eines 14 bis 22jährigen aber mit der Film- und Serienerfahrung eines 35jährigen zu erleben.

Akte X_1_Erstes Treffen Scully trifft Mulder

1993 wird die junge FBI-Agentin und ausgebildete Ärztin Dana Scully (Gillian Anderson) innerhalb der FBI-Zentrale in Washington D.C. dem berüchtigen Special Agent Fox „Spooky“ Mulder (David Duchovny) zugeteilt. Mulder befasst sich mit den sogenannten X-Akten, unaufgeklärten Fällen mit paranormalen Phänomenen wie möglicher Kontakt mit Außerirdischen, Geistererscheinungen, Okkultismus und anderen Besonderheiten. Scully wird von ihren Vorgesetzten beauftragt, Mulders Arbeit zu dokumentieren und Berichte an die Führungsebene weiterzugeben, seine „abenteuerlichen Hypothesen“ wissenschaftlich zu untersuchen. Zentraler Antrieb bei seiner Suche nach dem Beweis für die Entführung von Menschen durch außerirdische Mächte ist für Mulder das Verschwinden seiner Schwester Samantha im Alter von acht Jahren etwa 20 Jahre zuvor. Diesen Verlust hat er nie verwunden. Dieser Verlust motiviert ihn immer weiter zu suchen, auch wenn die Suche immer beschwerlicher wird.

Mulder und Scully ermitteln bei mysteriösen Fällen im ganzen Bundesgebiet der USA. Sie treffen auf so bizarre Phänomene wie einen 100 Jahre alten Serienkiller (Das Nest, Ein neues Nest), den „Geist“ eines Verstorbenen (Schatten), einen Parasiten mit möglichem außerirdischem Usprung (Eis) und eine Gruppe geklonter Mädchen (Eve; wobei die Grundidee hinter dieser Folge sicherlich die Erfinder der Serie Orphan Black inspiriert haben dürfte). Diese in sich abgeschlossenen Episoden (die sogenannten „Monster der Woche“-Folgen) sind nur die eine Hälfte von Akte X. Zur anderen und auf Dauer vielleicht spannenderen gehören jene Episoden, welche die umfassende Serienmythologie vorantreiben. Auch der Pilotfilm Gezeichnet zählt in diese Kategorie. Auf einer Waldlichtung in Oregon verschwinden mehrere Jugendliche, die später tot aufgefunden worden. Bei ihren Ermittlungen stoßen die beiden FBI-Agenten nicht nur auf merkwürdige Vorkommnisse, sondern auch eine Mauer des Schweigens. Immer wenn das Agenten-Duo einem geheimen Regierungsprojekt, das wohl möglich mit dem Beweis der Existenz von außerirdischem Leben in Zusammenhang steht, auf die Spur kommt, werden sie von „Oben“ ausgebremst, unter Druck gesetzt oder wie in der Pilotfolge die Beweise vernichtet. Nicht selten passiert es, dass Mulder und Scully hinterher noch weniger in der Hand haben als zu Beginn eines Falles.

Die Seele von The X-Files bilden natürlich die beiden Hauptfiguren. Von ihrer Grundeinstellung könnten sie verschiedener nicht sein. Fox Mulder ist ein hochbegabter Profiler mit Abschluss an der renommierten Universität von Oxford. Er glaubt an übersinnliche Phänomene und daran, dass es längst Aliens auf der Erde gibt, dass deren Existenz vertuscht wird. Dieser Glaube ermöglicht es ihm, fernab der üblichen Vorgehensweisen zu arbeiten, Fälle aus einem speziellen Blickwinkel zu sehen. Dieser Sichtweise völlig entgegen gesetzt ist Dr. Dana Scully, die auf wissenschaftliche nachprüfbare Fakten baut. Trotz ihrer großen Unterschiede avancierten die beiden FBI-Agenten schnell zu einem sehr guten, eingespielten Team und werden zu gegenseitigen Vertrauten ohne eine sich anbahnende Romanze. Gelegentlich werden die Rollen dann auch getauscht. Mulder als Skeptiker und Scully als die Person, die glauben möchte. Etwa in der Folge Die Botschaft als ein verurteilter Mehrfachmörder den Anschein erweckt, er habe für Scully eine Nachricht von ihrem gerade verstorbenen Vater aus dem Jenseits.

Obwohl es in den ersten 24 Episoden wenig wiederkehrende Charaktere gibt, so werden doch bereits wichtige (Neben-)Figuren eingeführt. Den größten Eindruck hierbei hinterlässt freilich William B. Davis als geheimnisvoller Raucher, der „Dauer-Antagonist“ im Hintergrund, auch wenn er fast nichts sagt und wirklich nur in vier Episoden zu sehen ist. Von dem Mann mit der tiefen Stimme („Deep Throat“; Jerry Hardin) wird Mulder immer wieder quasi aus erster Hand mit Informationen über diverse Geheimprojekte versorgt. Ihre ersten Auftritte absolvieren außerdem Mitch Pileggi als FBI Assistant Director Skinner sowie die drei „Einsamen Schützen“ Byers, Frohike und Langley. Diese drei Verschwörungstheoretiker und Herausgeber des gleichnamigem Magazins versorgen Mulder mit alternativem Quellenmaterial.

In der ersten Staffel gelingt es Schöpfer/Showrunner Chris Carter und seinem Team, eine gute Basis für die weitere Entwicklung der Serie zu legen. Trotz der für eine US-Network-Serie üblichen Episodenanzahl von 20 oder mehr pro Season besitzt Akte X in seiner ersten Runde eine hohe Qualitätsdichte. Nur wenige Folgen sind misslungen. Obwohl der subjektive Gruselfaktor etwas abgenommen hat, so wird hier mit einfachen inszenatorischen Mitteln Spannung erzeugt. Eine großen Beitrag hierbei leistet Komponist Mark Snow, der nicht nur das ikonische Titelthema erschuf. Mit subtilen Pianopassagen und Synthesizersounds holt die musikalische Untermalung oft das Maximum aus einer an sich unspektakulären Szene heraus. Die dritte Hauptrolle in den ersten fünf Seasons spielt natürlich die Stadt Vancouver und ihre Umgebung. Egal wo es Mulder und Scully im Rahmen ihrer Arbeit (innerhalb der USA) hin verschlägt, gedreht wurde ausschließlich in und nahe der kanadischen Metropole.

Akte X_1_Scully und das Poster Scully vor Mulders berühmtem Poster 

Seit 21. Dezember 2015 erstrahlt Akte X dank einer BluRay-Komplettbox (mit den Staffeln 1 bis 9) in neuem Glanz, mit allen Episoden im Bildformat 16:9 und einer unerwartet hohen Auflösung. Die Qualität der HD-Aufbereitung steht der herausragenden von Star Trek: The Next Generation in kaum etwas nach.

Ab Montag den 8. Februar 2016 zeigt Pro 7 die sechs Folgen umfassende Fortsetzung, die vom US-Sender Fox kürzlich doch offiziell zur 10. Staffel erklärt wurde. Neben David Duchovny als Mulder und Gillian Anderson als Scully kehren auch einige der beliebten Nebenfiguren zurück.

Fazit: Auch dank einer ausgewogenen Mischung aus „Monster der Woche“-Episoden und Folgen zur langsamen Etablierung der Serienmythologie fesselt die damals innovative Mysteryserie Akte X in der ersten Staffel die Zuschauer. 8 von 10 Punkten.

Akte X_1_Deep Throat
Mulders Informant: „Deep Throat“
Akte X_1_Raucher
Der geheimnisvolle Raucher
Akte X_The Truth is out there
Die Wahrheit ist irgendwo da draußen

Marius Joa, 7. Februar 2016. Bilder: Fox.

 

 

 


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