Star Trek: The Next Generation – Staffel 1

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des “neuen” Raumschiffs Enterprise, das 1987 seine über sieben Jahre gehende Mission auf den Fernsehbildschirmen startete. Ein Review zum ersten Jahr. Energie!


Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert – Staffel 1
(Star Trek: The Next Generation – Season 1)
Science-Fiction-Serie USA 1987/88. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 26 Folgen. Gesamtlänge: ca. 19 Stunden und 45 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 7. September 1990.
Mit: Patrick Stewart, Jonathan Frakes, LeVar Burton, Denise Crosby, Michael Dorn, Gates McFadden, Marina Sirtis, Brent Spiner, Wil Wheaton u.v.a. Idee: Gene Roddenberry.

Aller (Neu-) Anfang ist schwer

“Space: the final frontier. These are the voyages of the starship Enterprise. Its continuing mission: to explore strange new worlds. To seek out new life and new civilizations. To boldly go where no one has gone before!”

Wir schreiben das Jahr 2364. Ziemlich genau 100 Jahre nachdem die U.S.S. Enterprise unter Captain James T. Kirk seinerzeit ihre Fünfjahresmission gestartet hatte bricht mit der Enterprise D (Kennung NCC-1701-D) ein neues Schiff, welches den legendären Namen trägt, in die Weiten des Alls auf. Unter dem Kommando von Captain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) befindet sich die Crew um den ersten Offizier Commander William T. Riker (Jonathan Frakes), den Androiden Lieutenant Commander Data (Brent Spiner), Sicherheitschefin Lieutenant Natasha “Tasha” Yar (Denise Crosby) und Bordärztin Dr. Beverly Crusher (Gates McFadden). Zum Stab der Führungsoffiziere gehören ebenso die jungen Lieutenants Geordi LaForge (LeVar Burton) und Worf (Michael Dorn), ein Klingone, sowie Counselor Deanna Troi (Marina Sirtis), eine Halb-Betazoidin, die starke Gefühlsregungen wahrzunehmen vermag. Dr. Crushers minderjähriger Sohn Wesley (Wil Wheaton), dessen Vater bei einer gemeinsamen Mission mit Picard ums Leben kam, erweist sich schnell als hochbegabter junger Mann, der frühzeitig seine praktische Ausbildung als Offizier auf der Enterprise beginnt. Schon bei ihrer ersten Mission stoßen Picard und Co auf ein kurioses Wesen, den allmächtigen Q (John DeLancie), welcher die Menscheit für primitiv hält und diese auf die Probe stellen möchte. Doch viele weitere Herausforderungen und Abenteuer erwartet die Besatzung des Raumschiffes…

Zum 20jährigen Jubiläum der Originalshow (1966-1969, kurz TOS) wurde 1986 eine neue Star Trek-Serie angekündigt, nachdem das Projekt Phase II (eine geplante, weitere TV-Show mit dem Original-Cast) in den 1970ern gescheitert war und schließlich zur Produktion des ersten ersten Kinofilms geführt hatte. Deren Anfänge gestalteten sich alles andere als einfach wie die von William “Captain Kirk” Shatner inszenierte und moderierte, einstündige Doku Chaos on the Bridge (2014) anhand von Interviews mit vielen Beteiligten illustriert. Star Trek-Schöpfer Gene Roddenberry (1921-1991) war nach dem Ende der Originalserie und dem Schwierigkeiten mit Star Trek – Der Film (1979) in den Hintergrund geraten, wollte daher bei der neuen Show wieder die Zügel in die Hand nehmen, was ihm auch gelang. Jedoch kollidierte seine Vision von einer idealisierten Zukunft ohne große Konflikte mit den Arbeitsweisen bzw. Vorstellungen der anderen Autoren und Produzenten. Vor allem aus gesundheitlichen Gründen überließ Roddenberry aber weitgehend dem als Showrunner verpflichteten Maurice Hurley (1939-2015) das Feld. Hurley, der bisher für die Polizeiserien Miami Vice und The Equalizer tätig gewesen war, fand sich nun in der Position, die Ideale Roddenberrys zu verteidigen und gleichzeitig eine Staffel mit 26 Episoden geschrieben/produziert zu bekommen.

Auch die anfänglichen Reaktionen vieler alteingesessener Fans waren nicht direkt positiv, störten sich diese doch besonders daran, dass völlig neue Charaktere (und nicht mehr das vergötterte Trio Kirk/Spock/McCoy) im Mittelpunkt stehen sollten. Doch eine Wiederverpflichtung der Original-Besetzung um William Shatner und Leonard Nimoy (1931-2015) sollte unbedingt vermieden werden, denn allein während der fünf Kinofilme seien die Gagen der beliebten Darsteller bereits massiv gestiegen. Und so verpflichtete man überwiegend unbekannte Schauspieler wie den britischen Shakespeare-Mimen Patrick Stewart (Dune – Der Wüstenplanet [1984]), Jonathan Frakes (Fackeln im Sturm), LeVar Burton (Roots) oder Michael Dorn (ChiPs). Auch wenn das Budget von The Next Generation in der Premierenstaffel pro Episode 1,3 Millionen Dollar betrug (für die damalige Zeit durchaus üppig), so wurden einige Sets aus den Star Trek-Kinofilmen wieder verwendet, was aber sicherlich nur Trekkies mit besonders ausgefeiltem Detailblick auffallen dürfte. Für die ab 2012 begonnene Veröffentlichung der kompletten Serie in HD auf BluRay wurden nicht nur die Original-Master digital remastered, sondern auch diverse visuelle Effekte einer Frischzellenkur unterzogen. Diese Überarbeitung sorgt dafür, dass selbst die Anfänge von TNG auch Jahrzehnte nach der Premiere im September 1987 in den USA (sowie der deutschen Erstausstrahlung im ZDF drei Jahre später) noch beeindruckend aussehen. 

Die aus heutiger Sicht retrofuturistischen Designs wirken bisweilen antiquiert, die Themen der einzelnen Episodenstories dagegen fast nicht. Im 24. Jahrhundert hat sich die Vereinte Föderation der Planeten um einige Spezies, darunter die Klingonen, erweitert. Vor allem die Menschen leben in einer beinahe utopischen Gesellschaft. Gleich im Pilotfilm, der die ersten beiden Folgen Der Mächtige und
Mission Farpoint
(OT: Encounter at Fairpoint, Part 1 & 2) beinhaltet, wird die Weiterentwicklung der Menschheit allerdings von dem allmächtigen Wesen Q in Frage gestellt, welcher die Erdenbewohner weiterhin als barbarische Wilde ansieht. Der völlig antikapitalistischen Utopie stehen in der Welt von Star Trek die profitgesteuerte Gesellschaft der Ferengi, deren Mitglieder in der ersten Season von TNG erstmals auftreten, gegenüber. Die Autoren erforschten auch andere Gesellschaftsformen wie eine streng matriarchisch geführte in Planet Angel One (Angel One), das auf Kampf und Ehre konzentrierte Kriegervolk der Klingonen (Worfs Brüder; OT: Heart of Glory) oder die technologiehörigen und unfruchtbaren Aldeaner (Die Sorge der Aldeaner; OT: When the Bough Breaks).

Mit dem Androiden Data, ungemein präzise gespielt von Brent Spiner, gehört eine künstliche Lebensform zur Crew der Enterprise. In dieser Figur vereinen sich gleichzeitig das Frankenstein-Motiv nach dem Roman von Mary Shelley und die vor allem vom visionären Science-Fiction-Autor Philip K. Dick (u.a. Romanvorlage zu Blade Runner) thematisierte Frage danach, was Menschlichkeit ausmacht. Denn Data ist seinen humanoiden Kollegen zwar physisch und bezüglich seiner geistigen Kapazitäten völlig überlegen, würde diese Überlegenheit aber gerne dafür eintauschen, ein richtiger Mensch zu werden. Aus seiner Unverständnis für althergebrachte Redewendungen und Humor bezieht die Serie einen Teil ihrer Komik.

Dass sich The Next Generation sich zu Beginn in vielerlei Hinsicht noch sehr an der Mutterserie orientierte, erwies sich als zweischneidiges Schwert. Das zudem an Modetrends der 1980er angelehnte Kostümdesign war aus meiner Sicht teilweise wirklich einfach furchtbar. Damit meine ich nicht die in den ersten beiden Staffeln noch einteiligen Uniformen oder die nostalgischen Uniform-Kleidchen, sondern vielmehr die Zivilkleidung einiger Nebenfiguren wie etwa in Begegnung mit der Vergangenheit (We’ll Always Have Paris). Es sollte auch etwas dauern bis sich TNG von TOS musikalisch abnabeln sollte. Die kultige TNG-Titelmelodie setzt sich aus dem Beginn von Alexander Courages Thema der Originalserie und Jerry Goldsmiths Intromusik zum ersten Kinofilm zusammen. Mit der dritten Episode Gedankengift (OT: The Naked Now), in welcher die Besatzung plötzlich wie betrunken und enthemmt agiert, gibt es sogar eine gelungene, direkte Hommage an eine Folge der Originalserie, nämlich Implosion in der Spirale (OT: The Naked Time; Staffel 1, Folge 4).

Die zweite ST-Serie hatte von Beginn an mit diversen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nicht nur dass Roddenberrys Vision mit den Vorstellungen vieler Drehbuchschreibern kollidierte, was dazu führte, dass viele Autoren die Serie schnell wieder verließen. Zum Ende der ersten Season kam auch noch ein Drehbuchautorenstreik (7. März bis 7. August 1988) dazwischen, so dass man für das Staffelfinale Die Neutrale Zone (The Neutral Zone) sogar Elemente einer Fanfiction in das Skript übernahm. Das erzählerische Niveau sollte sich erst ab Season 3 merklich steigern. Neben einer als plump rassistisch interpretierbaren Folge (Der Ehrenkodex; OT: Code of Honor) krankte TNG in Runde eins vor allem daran, dass die drei weiblichen Hauptcharaktere Dr. Beverly Crusher, Counselor Deanna Troi und Sicherheitschefin Tasha Yar ziemlich vernachlässigt wurden. Yar-Darstellerin Denise Crosby machte sogar den Vorschlag, einfach eine Nachbildung ihrer Beine aus Pappe an ihrer Brückenkonsole zu installieren weil sie sich als Stichwortgeberin unterfordert fühlte. Schließlich verließ Crosby die Serie nach 23 von 26 Folgen. Marina Sirtis alias Deanna Troi sah sich auf ihre Funktion als Telepathin reduziert und wurde zudem in sehr figurbetonte Kostüme gesteckt, um ihre weiblichen Attribute zu unterstrichen. Der Vertrag von Gates McFadden, der Darstellerin von Dr. Crusher, wurde nach der ersten Staffel nicht verlängert und Diana Muldaur übernahm die vakante Rolle der Schiffsärztin in Staffel 2.

Das Auftaktjahr von The Next Generation legte insgesamt doch einen soliden Grundstein für eine über sieben Staffeln andauernde Space-Opera, welche überwiegend auf in sich abgeschlossene Eepisoden, aber im weiteren Verlauf auch hier und da auf übergreifende Handlungsstränge setzte. Dabei deckte die Serie im Laufe ihrer Zeit ein überaus breites Spektrum an Themen und Konzepten im Rahmen seiner humanistischen geprägten Zukunftvision ab, inklusive möglicher Schattenseiten. In TNG wurde die Technik des Holodecks eingeführt, welche eine realitätsnahe, virtuelle Nachbildung jeder erdenklichen Umgebung ermöglicht. Die Enterprise-Crew reist damit unter anderem in eine stilisierte Film-Noir-Welt, wo der Captain als “Private Eye” in einen Mordfall verwickelt wird. Der reserviert-besonnene und überaus gebildete Jean-Luc Picard stellt einen ziemlich Gegenentwurf zu seinem draufgängerischen Vorgänger James T. Kirk dar. Die Rolle des Frauenhelden sollte der erste Offizier Will Riker ausfüllen während Lieutenant Commander Data als Reminiszenz an den rationalen, völlig emotionslosen Spock fungiert.

Über die Jahre habe ich fast alle TNG-Episoden bei ihren unterschiedlichen TV-Ausstrahlungen im ZDF (Staffel 1 bis Staffel 4, Folge 9), bei SAT 1 (Staffel 4, Folge 10 bis Staffel 7) sowie Wiederholungen auch auf Kabel 1, Tele 5 und bei Syfy mehrmals gesehen. Für diese Rezension sichtete ich Season 1 erstmals in der Originalfassung. Dabei verliert für mich dadurch die deutsche Synchronfassung nicht an Klasse, deren Problem ja eigentlich nur war, dass beim Wechsel vom ZDF zu SAT 1 sich auch das Synchronstudio und damit auch ein paar der Hauptsprecher änderten. Im Original kommt allerdings, wie ich finde, Patrick Stewarts Performance und seine einmalige Präsenz besser zur Geltung. Der britische Schauspieler (später auch bekannt als Professor Xavier in den X-Men-Filmen zwischen 2000 und 2017) sollte seine große Paraderolle 25 Jahre nach dem Ende von TNG für die Spin-Off-Serie Star Trek: Picard wieder aufnehmen. Zwischen 1994 und 2002 stand die “Next Generation”-Crew zudem im Mittelpunkt der ST-Kinofilme Nummer sieben bis zehn.

Die erste Staffel von Star Trek: The Next Generation ist seit 27. Juli 2012 in der HD-Fassung auf BluRay erhältlich sowie beim Streaminganbieter Netflix abrufbar.

Fazit: Trotz einer in Ansätzen durchwachsenen Jungfernfahrt bot die erste TNG-Staffel bereits hochwertig produzierte und inhaltlich spannende Science-Fiction für den kleinen Bildschirm. 8 von 10 Punkten.



Die Enterprise D


Die Crew


Farpoint Station


Außenmission


Marius Joa, 16. Juli 2020. Bilder: CBS/Paramount.

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