Troja – Director’s Cut

Knapp drei Jahre nach dem Kinostart veröffentlichte Regisseur Wolfgang Petersen einen Director’s Cut seines Historien-Blockbusters Troja, der im April in ausgewählten Kinos zu sehen war. Die DVD-Veröffentlichung nimmt Marius Joa zum Anlass das aufwendige Filmprojekt neu zu beleuchten.

Troja – Director’s Cut (Troy – Director’s Cut)
Historienfilm USA/UK/Malta 2004/2007. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 189 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Brad Pitt, Eric Bana, Orlando Bloom, Diane Kruger, Sean Bean, Brian Cox, Brendan Gleeson, Peter O’Toole, Saffron Burrows, Rose Byrne, John Shrapnel, Julie Christie, James Cosmo, Vincent Regan, Garrett Hedlund, Tyler Mane, Julian Glover, Nigel Terry u.v.a.
Regie: Wolfgang Petersen. Drehbuch: David Benioff. Inspiriert durch die Ilias von Homer.

Längere Laufzeit = Besserer Film?

Vor 3200 Jahren. Während Agamemnon (Brian Cox), König von Mykene, mit Thessalien das letzte „freie“ Königreich Griechenlands okkupiert und weiterhin nach mehr Eroberungen trachtet, zeigt sich sein jüngerer Bruder Menelaus (Brendan Gleeson), König von Sparta, kampfesmüde und schließt mit dem langjährigen Gegner, der kleinasiatischen Stadt Troja Frieden. Zur Besiegelung des Paktes sind Trojas Prinzen Hektor (Eric Bana) und Paris (Orlando Bloom) für eine große Feier anwesend. Doch der mühsam erkämpfte Frieden bröckelt schon. Denn Paris und Menelaus’ wunderschöne Ehefrau Helena (Diane Kruger) haben sich ineinander verliebt. Gegen den Widerstand seines Bruders Hektor nimmt Paris Helena mit nach Troja mit. Menelaus ist außer sich, als er von der „Flucht“ seiner Gattin erfährt und reist sofort zu seinem Bruder Agamemnon, um ihn um Unterstützung zu bitten. Dieser versammelt alle Könige Griechenlands und ihre Armeen, um gegen Troja den größten Krieg bisher zu führen. Die Verpflichtung von Achilles (Brad Pitt), der als größter Krieger gilt, erweist sich als schwierig, doch durch das Verhandlungsgeschick des listigen Odysseus (Sean Bean), entscheidet sich Achilles, mit seinem Vetter Patroclus (Garrett Hedlund) gegen Troja in den Kampf zu ziehen.

In Troja empfängt König Priamos (Peter O’Toole) seine beiden Söhne und Helena mit allen Ehren, ist sich aber der unmittelbar bevorstehenden Folgen durchaus bewusst und lässt die Stadt für den Krieg vorbereiten. Noch nie konnten die Mauern Trojas überwunden werden und die besten Bogenschützen gelten als weiterer Vorteil gegenüber der zahlenmäßigen Überlegenheit der Griechen. Beim ersten Angriff erobern Achilles und seine als unbesiegbar geltenden Myrmidonen den Strand vor Troja und den Tempel des Apollo. Dabei wird Briseis (Rose Byrne), die Cousine von Hektor und Paris, gefangen genommen. Als Agamemnon Achilles provoziert und verhöhnt, schwört der größte Krieger, dass er nicht mehr an den Kampfhandlungen teilnehmen wird. Paris will unterdessen den Krieg verhindern und Menelaus im Zweikampf um Helena gegenüberstehen. Doch es kommt alles ganz anders.

Geschätzte 175 Millionen Dollar kostete der von April bis Dezember 2003 auf Malta, in Mexiko und im UK gedrehte Historienfilm von Deutschlands Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen (Das Boot). Nach der Fertigstellung seines Katastrophenfilm-Flops Poseidon machte sich Petersen mit über 40 Mitarbeitern an die Überarbeitung von Troja und bekam dafür von Warner Bros. ca. eine Million Dollar zur Verfügung gestellt. Der Director’s Cut war ab 19. April in einigen deutschen Großstädten zu sehen und wurde am 14. September auf DVD veröffentlicht. Bedeutet die längere Laufzeit des Films eine Besserung gegenüber der etwas oberflächlichen Kinoversion? Ja.

Der DC bietet zwar nur wenige komplett neue Szenen, dafür werden aber viele bereits vorliegende verlängert. Dies gibt dem Film vor allem das, was in der Kinoversion fehlte: Tiefgang. Die Beweggründe der Charaktere kommen besser zur Geltung und der Zuschauer bekommt mehr Hintergrundinformationen, was auch zu einem besseren Verständnis führt. Getreu den amerikanischen Freigabestandards gab es in der Kinoversion zwar viel Gewalt aber wenig nackte Haut und Sex. Auch hier wird mehr geboten. Die Liebesszenen zwischen Helena und Paris sowie Achilles und Briseis sind nun freizügiger. Was die Gewaltdarstellung betrifft, war die Kinofassung schon nicht zimperlich. Die deutsche Fassung wurde von Warner für eine FSK-12-Freigabe um 45 Sekunden gekürzt, die DVD war uncut. Hammerbrutal wirkt der DC, vor allem am Ende als die Griechen alles abschlachten, was ihnen vor die Füße läuft. Auf jeden Fall nichts für zarte Gemüter.

Die Überarbeitungsphase haben Petersen & Co aber nicht nur zum Umschneiden verwendet, sondern auch eines der großen Mankos des Films verbessert: die hohle Filmmusik von James Horner. Ursprünglich war Gabriel Yared als Komponist vorgesehen. Der gebürtige Libanese (Der talentierte Mr. Ripley) hatte bereits fast ein Jahr an einem Score gearbeitet, der aber völlig unerwartet vonseiten des Studios abgelehnt wurde. Begründung: zu altmodisch. Dass dem nicht so war bewiesen Hörproben auf Yareds Webseite. James Horner (Titanic) wurde kurzerhand engagiert und komponierte in nur 13 Tagen neue Filmmusik, die sich aber als hohles Getöse bzw. zu unspektakuläres Gedudel herausstellte. Nervtötend war auch das ständige Geheule der bulgarischen Sängerin Tanja Tzarovska. Der Director’s Cut enthält Horners Score nur noch an einigen Stellen. Ansonsten wurde teilweise Gabriel Yareds verworfene Musik und Stücke aus den Filmen Monte Christo (2002), Planet der Affen (2001) und Starship Troopers (1997) verwendet. Dies wertet die Atmosphäre ungemein auf, auch wenn ein paar Szenen (wie die musikalisch vollkommen verschenkte Sequenz mit den 1000 Schiffen) unverändert bleiben. Das Geheule wurde immerhin auf ein Minimum heruntergeschraubt. Der Titelsong Remember fehlt ebenfalls.

Auf den zweiten Blick machen nun viele Änderungen der Vorlage, die viele Fans der Sagen beim ersten Mal sicherlich ziemlich gestört haben, mehr Sinn. In der realistisch-angehauchten Inszenierung sind die Götter sicherlich fehl am Platz. Eine Konzentration auf einige wenige Charaktere erscheint ebenfalls als sinnvoll, denn die Anatomie eines Kinofilms bietet keinen Platz für die unglaubliche Anzahl von Figuren, wie sie im Sagenkreis von Troja vorliegen. Schade ist allerdings, dass die Charaktere Agamemnon und Menelaus auf plumpe Filmbösewichter degradiert wurden, obwohl man ansonsten bei der Figurenzeichnung weitgehend auf Schwarz-Weiß-Malerei verzichtete. Der Tod von Menelaus wirkt auch störend.

Die schauspielerische Leistung kann insgesamt überzeugen, auch wenn z.B. Brad Pitts Performance trotz seiner beeindruckenden Physis etwas zu glatt wirkt. Herausragend sind hier Sean Bean als listig-verschmitzter Odysseus, Peter O’Toole als vom Schicksal gebeutelter König Priamos und Eric Bana als pflichtbewusster Kämpfer Hektor. Durch die neuen Szenen wurde vor allem die Rolle des trojanischen Priesters Archeptolemos (Nigel Terry) aufgewertet.

Viele hätten sich von Troja sicherlich mehr erwartet und dass das Endprodukt bei vielen für Enttäuschung sorgte ist nachvollziehbar. Der Director’s Cut kann aber stark punkten, weil er das, was der Kinoversion weitgehend abging, vorweisen kann: Tiefgang. Mehr als eine Anregung zur Beschäftigung mit der komplexen griechischen Sagenwelt darf man von einem Hollywoodfilm eigentlich nicht erwarten.

Fazit: Sehenswerte Neuauflage des Historien-Blockbusters, der durch die verlängerten und neuen Szenen sowie die überarbeitete Musik vor allem an Tiefgang und Atmosphäre gewinnt. 7 von 10 Punkten.

DVD-Features:

Sprachen: Deutsch, Englisch, Spanisch, Polnisch (alle Dolby Digital 5.1).
Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Polnisch, Griechisch, Estnisch, Deutsch & Englisch für Hörgeschädigte.

Bonusmaterial

Disc 1:
Troja im Rückblick: Ein Vorwort mit Regisseur Wolfgang Petersen (ca. 2,5 Min.)

Disc 2:
Troja im Fokus: Was ist erforderlich, um ein Epos zu drehen? (23 Min.)
Im Eifer des Gefechts: Die mitreißenden Actionszenen des Films (17 Min.)
Von Ruinen zur Realität: Die Entwicklung des Produktions-Designs (14 Min.)
Troja – Eine Odyssee der Effekte
: Das Geheimnis hinter den Spezialeffekten (11 Min.)
Der Angriff auf Troja: Vorbereitungen für eine Leinwandbelagerung (16 Min.)
Wasserski mit einem griechischen Kriegsschiff (1,5 Min.)
USA-Kinotrailer

Auch wenn die Laufzeit mit 196 Minuten angegeben ist, so beträgt sie in der PAL-DVD-Fassung nur 189 Minuten (113 auf Disc 1 sowie 76 auf Disc 2). Somit ist der Director’s Cut ca. 33 Minuten länger als die Kinofassung. Merkwürdig bei der Darstellung des Films: stellt man seinen Fernseher auf 16:9-Kinoformat um, so werden die Untertitel teilweise abgeschnitten.

In der kurzen Einführung von Regisseur Wolfgang Petersen (2,5 Minuten; engl. mit optionalen UT) erklärt dieser, was den Director’s Cut von der Kinofassung unterscheidet. Disc 2 enthält weitgehend die Specials, die schon bei der herkömmlichen DVD-Version vorhanden waren. Lediglich die Making-Of-Dokus Troja im Fokus und Der Angriff auf Troja sind neu. Die Specials bieten interessante Einblicke in die Geschichte der Produktion und deren Schwierigkeiten. So zerstörte der Hurrikan Marty einen Großteil des Sets in Mexiko. Außerdem verletzte sich Achilles-Darsteller Brad Pitt ausgerechnet an der Achillessehne (!) und so verzögerten sich die Dreharbeiten um drei Monate. Neben den Darstellern und Regisseur Petersen kommen auch Drehbuchautor David Benioff und weitere Crew-Mitglieder zu Wort.

Marius Joa, 3. Oktober 2007. Bilder: Warner Bros.


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