Troja

Historienfilm USA/UK/Malta 2004. Regie: Wolfgang Petersen. Inspiriert von Homers Ilias. Musik: James Horner. 156 Minuten. FSK ab 12.

Achilles — Brad Pitt
Hektor — Eric Bana
Paris — Orlando Bloom
Odysseus — Sean Bean
Andromache —Saffron Burrows
Briseis — Rose Byrne
Thetis — Julie Christie
Glaukos — James Cosmo
Agamemnon – Brian Cox
Menelaos — Brendan Gleeson
Patroklos — Garrett Hedlund
Helena — Diane Krüger
Ajax — Tyler Mane
Priamos — Peter O’Toole
Eudoros — Vincent Regan
Nestor — John Shrapnel u.a.

Die Legende im Wachkoma

Was von der Sage übrigblieb
Vor 3200 Jahren: Agamemnon, König von Mykene, hat ganz Griechenland unter seinem Zepter vereinigt. Sein Bruder Menelaos, König von Sparta, schließt mit dem langjährigen Feind Troja Frieden. Ein großes Fest, auf dem die trojanischen Prinzen Hektor und Paris, beschließt den Pakt. Paris jedoch hat eine heimliche, leidenschaftliche Affäre mit Menelaos wunderschöner Frau Helena. Deshalb überredet der Jungspund die unglückliche Königin, mit ihr nach Troja zu kommen. Auf dem Schiff zurück nach Hause, enthüllt Paris seinem Bruder Hektor schließlich sein Geheimnis. Hektor weist seinen Bruder zurecht und erklärt ihm, dass dessen Tat einen weiteren Krieg bedeuten wird. Zuhause angekommen, werden die Reisenden herzlich vom trojanischen König Priamos aufgenommen. Währenddessen entdeckt Menelaos das Verschwinden seiner Frau und bittet Agamemnon, mit ihm in den Krieg zu ziehen. Dem Großkönig kommt der Vorfall natürlich sehr gelegen, war ihm doch die mächtige und unbesiegbare Stadt Troja schon lange ein Dorn im Auge. Und so mobilisieren er und Nestor, der König von Pylos, 1000 Schiffe, die gegen Troja segeln. Doch selbst mit 50000 Mann ist Troja nicht einzunehmen. Also muss der größte Krieger Achilles her. Odysseus schafft es, Achilles, trotz dessen großer Differenzen mit dem machtgierigen Agamemnon, dazu zu überreden, gegen Troja zu ziehen.
Beim ersten Angriff gelingt es, dank Achilles und seinen Myrmidonen, den Strand vor Troja einzunehmen. Bei der Plünderung des Apollon-Tempels wird Briseis, Tempeldienerin und Cousine von Paris und Hektor, gefangen genommen. Nun ist der Krieg endgültig ausgebrochen…

Die Legende soll leben
Mit einem geschätzten Budget von 180 bis 200 Millionen Dollar verfilmte der deutsche Hollywoodregisseur Wolfgang Petersen (“Das Boot”, “Die unendliche Geschichte”) das wohl größte Epos der Weltgeschichte. Neben Hollywoodstars und einigen britischen Charakterschauspielern wurde vor allem auf riesige, authentisch wirkende Sets, realistisch-brutale Kampfszenen und  historisch recht detailierte Kostüme und Waffen gesetzt. Da verzeiht man dem Film auch die ziemlich deplatzierte Reitergarde Hektors. Obwohl Warner für die deutsche Fassung ein wenig herausschnitt, um eine FSK-12-Freigabe zu bekommen, ist der Film doch recht brutal und deshalb weniger für ein so junges Publikum geeignet. Eine gewisse Brutalität bei einem solchen Film ist jedoch durchaus angebracht. Das ganze Drumherum wirkt also recht authentisch und die am Computer erstellte griechische Armada von 1000 Schiffen ist durchaus beeindruckend. Eigentlich eine gute Basis für eine gute Geschichte.

Wiederbelebungsversuch…
Doch diese Basis wird leider nicht genutzt. Denn die Geschichte entfernt sich einerseits zu sehr von der Sage und wird dem Zuschauer auch noch ohne wirklichen Tiefgang vorgesetzt. Was noch von der Vorlage übrig ist (es fehlen wichtige Charaktere und Handlungselemente), wird durch den hollywoodeigenen Fleischwolf gedreht. Das Weglassen der Götter, aufgrund der Ambition einen möglichst realistischen Film zu machen, kann man Drehbuchautor David Benioff zwar noch verzeihen, aber die anderen Änderungen nicht wirklich. Es herrscht zuviel hollywoodtypische Schwarz-Weiß-Malerei vor, denn Agamemnon und Menelaos, im Film zwei übergewichtige Frührentner, werden zu böse dargestellt. Menelaos muss schließlich einen vollkommen sinnentleerten Tod sterben (spätestens hier war der Film für mich nicht mehr zu genießen). Auch der als machthungrige und menschenverachtende Superbösewicht dargestellte Agamemnon darf Trojas Mauern nicht lebend verlassen. Ihm darf Briseis ein Messer in die Kehle rammen, mit dem sie vorher Achilles töten wollte.

…gescheitert
Briseis, in der Sage eine von Achilles bei einem seiner Beutezüge um Troja verschleppte Königstochter aus Lyrnessos, gibt hier im Film eine Mischung aus ihrem eigentlichen Charakter und den weggelassenen Chryseis und Kassandra. Sie ist die Cousine von Hektor und Paris, Tempeldiener und treibt sich zu oft dort herum, wo sie eigentlich nichts zu suchen hätte: in Troja, im Apollon-Tempel und am Ende wieder in Troja. Außerdem darf sie Achilles sagen, was er doch für ein böser Junge ist. Paris, der Frauenheld des Films, ist zu sehr auf seine Rolle als Feigling beschränkt. Sein Egoismus kommt im Film fast überhaupt nicht zur Geltung. Um das Hollywood-Dogma zu erfüllen, darf er auch am Leben bleiben und aus der brennenden Stadt fliehen. Der große Ajax von Salamis, der hünenhafte Held der Griechen darf zwei Sätze sagen, bevor er schließlich viel zu früh stirbt. Kein heldenhafter Selbstmord als Schmach über seinen Wahnsinn, nichts. Wenigstens ist sein Zweikampf mit Hektor der spektakulärste im ganzen Film. Dass sich die Story hauptsächlich auf Achilles und sekundär auf Hektor konzentriert, wodurch leider viel Zeit für anderes verloren geht, ist keinesfalls als Vorwurf zu sehen, doch hätte der Film dann besser nicht Troja heißen sollen. Während der Krieg laut der Sage zehn Jahre dauert, haben wir es im Film mit einem ca. zweiwöchigen Blitzkrieg zu tun.

Achilles, Hektor & Co
Die Besetzung besteht zum großen Teil aus nahmhaften Schauspielern sowie einigen noch unbekannten Gesichtern. Brad Pitt kann in der Rolle Achilles’, des größten Kriegers aller Zeiten, nicht ganz überzeugen. Perfekt durchtrainiert, bringt Pitt zwar die enorme Kampfeskunst des Griechen zur Geltung, doch die emotionale Seite wird nur unzureichend gezeigt und so bleibt Achilles nur ein aalglatter Typ in seinem egoistischen Streben nach Ruhm. Eric Bana schafft dagegen schafft es, Hektor Leben einzuhauchen. Hektors Pflichtgefühl, seine Aufopferung für seine Heimat und die Liebe zu seiner Familie werden dem Zuschauer recht nahegebracht. Orlando Bloom liefert zwar wiedermal keine schauspielerischen Glanzlichter ab, weiß aber dennoch irgendwie als feiger Paris zu überzeugen. Leider wird er im Laufe des Films immer mehr zu Nebenfigur degradiert. Selbiges gilt für Helena, die sehr authentisch von Diane Krüger gespielt wird. Die Deutsche weiß auch durch optische Schönheit zu überzeugen. Doch die Rolle der schönsten Frau der Welt geht im Kampfgetümmel des Films fast vollkommen unter. Auch wenn Brian Cox als Agamemnon und Brendan Gleeson als Menelaos optisch nicht in die Rollen der beiden Atreidenbrüder passen, so liefern sie doch eine recht passable Darstellung ab. Nur schade, dass Agamemnon auf die Rolle des Bösen beschränkt wird. Peter O’Toole überzeugt als greiser Trojanerkönig Priamos vor allem durch seine optische Präsenz und seine eindringliche Mimik. Julie Christie, die Achilles’ Mutter Thetis spielt, die im Film keine unsterbliche Meernymphe ist, ist leider nur in einer kurzen Szene zu sehen. Saffron Burrows macht ihre Sache als Hektors Gattin Andromache in ihren wenigen Szenen auch recht gut. Herausragend ist Sean Bean. Er verkörpert den listig-taktierenden und gewitzten Odysseus fast perfekt. Bean schafft es, seine starken Leistung als Boromir in der “Herr-der-Ringe”-Trilogie sogar noch zu toppen.

Antikes Flickwerk
Kommen wir nun zum Drehbuch von einem gewissen David Benioff. Der gebürtige New Yorker, ein noch recht unbeschriebendes Blatt in der Traumfabrik, wagte es doch glatt, gleich sein zweites Drehbuch dem Trojanischen Krieg zu widmen. Was dabei rausgekommen ist, ist in fast jeder Hinsicht schwach. Benioff hat nicht nur weite Teile der Sage weggelassen oder umgekrempelt, sondern fehlt seiner Version auch Tiefgang. Trotz der Entfernung von der Sage versucht Benioff noch möglichst viele Stückchen mit einzubringen und so verkommt die Story zu einem oberflächlichen antiken Flickwerk. Deswegen kann kaum einer der Charaktere Tiefe entwickeln. Wirklichen Tiefgang gibt es weder bei der „Liebesgeschichte“ von Achilles und Briseis noch bei anderen Szenen. Die tieferen menschlichen Interaktionen verschwinden hinter dem Kampfgetümmel und den anderen Szenen. Die Dialoge sind meist zu flach und eher Durchschnittsware. Die besten hat man bereits in den verschiedenen Trailern gehört. Es fehlt hier eindeutig eine Spur Pathos, um die Dialoge den Anforderungen einer solchen Vorlage anzupassen.

Musik zum Heulen
Zusäzlich zum schwachen Drehbuch kommt ein weiterer dicker Minuspunkt hinzu: die Musik. Der ursprüngliche Filmkomponist Gabriel Yared wurde, nachdem er bereits fast ein Jahr am Score gearbeitet hat, gefeuert, weil sein Score angeblich zu altmodisch sei. Kurzfristig engagierte man James Horner, der in 13 Tagen neue Musik komponierte. Leider merkt man es dem Score auch an, dass er in so wenig Zeit geschrieben wurde. Alles recht lieblos und ohne Emotionen zusammengezimmert. Und zumeist herrscht das Geheule der Sängerin Tanja Tzarovska vor, das dem Zuschauer nach einiger Zeit ziemlich auf die Nerven geht, da es eher nach unkontrollierten Rumgejammere als nach Wehklagen klingt. Man könnte fast meinen, das Heulen komme von Homer, der aus seinem Grab darüber klagt, was Hollywood aus seiner Ilias gemacht hat. Der Titelsong „Remember“, der von einem gewissen Josh Groban und oben genannter Heulboje gesungen wird, ist wenigstens annehmbar, wenn auch wenig spektakulär.

In den Sand gesetzt
Troja versagt sowohl auf mythologischer als auch auf filmischer Ebene. Das schwache Drehbuch und die lahme Musik sorgen für eine Geschichte ohne Tiefgang, die den Zuschauer fast völlig kalt lässt. Hier wurde sehr viel Potential verschenkt und 200 Millionen Dollar in den (maltesischen und mexikanischen) Sand gesetzt. Bis auf wenige gute Ansätze einfach enttäuschend. Der Film wird der Sage nicht annähernd gerecht. Die Legende, die laut Slogan zum Leben erweckt werden sollte, befindet sich nur im Wachkoma. 5/10.
Vielleicht wird durch den Film das Interesse manchner, sich näher mit dem Stoff zu befassen, geweckt. Doch werden wohl viele Kinozuschauer, nachdem sie den Film gesehen haben, denken, sie würden die Sage vom Trojanischen Krieg kennen.


Überzeugt in der Rolle des listigen Odysseus: Sean Bean.
Marius Joa, 21.05.2004


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Kommentare

2 Antworten zu „Troja“

  1. […] der Film durch eine hochkarätige und glänzende Besetzung. Der Australier Eric Bana (“Troja“) verkörpert den schlichten Mossad-Agenten Avner Kauffman, der durch seinen Auftrag […]

  2. […] 2? Na, endlich gibt es die Fortsetzung zum Historien-Blockbuster Troja (2004) von Wolfgang Petersen (der 2007 auch einen Director’s Cut veröffentlichte), mag der […]

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