Auf dem 39. Fantasy Filmfest in diesem Jahr lief auch der neue Film des für seine absurd komischen Werke bekannten Quentin Dupieux. The Piano Accident dreht sich um eine junge Frau, die wegen ihrer selbstverletzenden Stunts zur megaerfolgreichen Influencerin geworden ist.
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The Piano Accident (L’Accident de Piano)
Satire Frankreich 2025. 88 Minuten.
Mit: Adèle Exarchopoulos, Jérôme Commandeur, Sandrine Kiberlain, Karim Leklou, Gabin Visona, Morena Gosset u.a. Drehbuch und Regie: Quentin Dupieux.

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Das Mädchen ohne Schmerzen
Weil sie aufgrund eines Gendefekts keinerlei Schmerz empfinden kann, hat Magalie Moreau (Morena Gosset bzw. Adèle Exarchopoulos) als Jugendliche den Reiz von gefährlichen Stunts und selbstverletzenden Mutproben für sich entdeckt, welche sie filmt. In der Folge avancierte sie unter dem Nickname Megajugs zum großen Internetstar. Bei wachsender Fangemeinde und großem finanziellen Erfolg denkt Magalie nicht ans Aufhören. Nach einem schief gelaufenen Stunt mit einem Klavier zieht sich die Influencerin mit ihrem Assistenten Patrick (Jérôme Commandeur) in ein Chalet in den verschneiten Alpen zurück. Doch mit der Ruhe ist es bald vorbei, als zwei hartnäckige Fans auftauchen. Zudem wird Magalie ständig von der neugierigen Journalistin Simone Herzog (Sandrine Kiberlain) kontaktiert, welche sich mit Geld nicht abwiegeln lässt. Widerwillig erklärt sich Magalie einverstanden, Simone ein Interview zu geben…
Meine Kenntnis der Werke des französischen Filmemachers und Musikers Quentin Dupieux alias Mr. Oizo beschränkt sich bisher auf seine herrliche Superhelden-Farce Smoking Causes Coughing (2022) und die etwas anstrengende Theater-Satire Yannick (2023). Doch Dupieux hat seitdem schon wieder einige weitere Streifen gedreht, zuletzt L’Accident de Piano, international unter dem englischen Titel The Piano Accident veröffentlicht, der wie zuvor einige andere Produktionen des Regisseurs beim Fantasy Filmfest gezeigt wurde.

Mit der im Januar und Februar 2025 in der französischen Alpen-Region gedrehten Mediensatire versucht sich der mehrfach versierte Dupuis (wie üblich hat er neben Drehbuch und Regie auch Kameraführung und das Komponieren der Musik übernommen) einen eigenen Reim auf Influencer im Allgemeinen und die im Fahrwasser von Jackass Anfang der 2000er Jahre boomenden Videos mit gefährlichen Aktionen zu machen.
Zu solchen vor allem durch soziale Netzwerke und Videoplattformen noch mehr gehypten Berühmtheiten des Internets zählt die Protagonistin. Ihre Superkraft ist ihr fehlendes Schmerzempfinden. Egal wie brutal der Stunt ist oder wie viel Selbstverletzung dabei in Kauf genommen wird, Magalie spürt davon wenig bis nichts. Nach dem titelgebenden Klavier-Unfall trägt sie einen Arm in der Schlinge und eine Halskrause. Wirklich zu stören scheint sie dieser Zustand nicht.
Da tritt die Journalistin Simone auf den Plan, welche um jeden Preis ein Interview mit Magalie will. Und obwohl sie noch nie einem zugestimmt hat, lässt sich der Internetstar darauf ein, allerdings nicht ohne ihre Ablehnung deutlich zu zeigen. Im Laufe des Gespräches zwischen den sehr ungleichen Frauen lässt Magalie ihre Karriere von den Anfängen bis in die Gegenwart Revue passieren. Das Gespräch bleibt allerdings nicht ohne Folgen für die Beteiligten.
Die merkwürdigen, schrägen Figuren und Szenarien von Dupieux sind sicherlich nicht für ein Massenpublikum geeignet. Wer sich darauf einlässt bekommt mitunter ein kurioses Filmerlebnis. Im Falle von The Piano Accident sogar eines mit gut versteckten, aber nachdenklich machenden, ernsten Untertönen. Denn abgesehen von der zunehmend grotesk-brutalen Story werden die traurigen Hintergründe für Magalies Handeln angedeutet. Und hier offenbart Quentin Dupieux Tiefgang, den man in seinen Filmen vielleicht nicht vermuten würde.
Herausragend aus einem zahlenmäßig reduzierten Ensemble agiert die mutig gegen den Strich besetzte Adèle Exarchopoulos als Magalie. Die 1993 geborene französische Schauspielerin kennt man eher für ihre Rollen in ernsten Filmen wie Blau ist eine warme Farbe (2013), The Five Devils (2022) und Beating Hearts (2024). Hier darf sie als meist miesgelaunte, wenig sympathische Wuchtbrumme, nur echt mit Zahnspange und dazu passender Sprechweise, mal dezent hässlich sein. In perfekter Analogie zum Titel besteht der Score aus meist dissonanten Klavier-Klängen.
Fazit: Groteske, absurd komische Satire mit ernsten Untertönen über eine Influencerin ohne Schmerzempfinden. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 22. September 2025. Bilder: Chi-Fou-Mi Productions.


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