Sibyl – Therapie zwecklos

Für Anatomie eines Falls gewannen Regisseurin Justine Triet und ihr Co-Autor Arthur Harari dieses Jahr den Oscar für das beste Original-Drehbuch. Ihr vorheriger Film Sibyl – Therapie zwecklos handelt von einer Therapeutin, die sich eigentlich dem Schreiben widmen möchte, aber doch einwilligt, einer jungen Schauspielerin bei fordernden Dreharbeiten beizustehen.  

Sibyl – Therapie zwecklos (Sibyl)
Drama Frankreich, Belgien 2019. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 101 Minuten. Kinostart: 16. Juli 2020.
Mit: Virginie Efira, Adèle Exarchopoulos, Gaspard Ulliel, Sandra Hüller, Laure Calamy, Niels Schneider, Paul Hamy, Arthur Harari, Lorenzo Lefèbvre u.v.a. Drehbuch: Justine Triet und Arthur Harari. Regie: Justine Triet.



Irre Zeiten auf Stromboli

Einst gelang es Sibyl (Virginie Efira) ihre Alkoholsucht zu überwinden und sich von ihrem Ex-Freund Gabriel (Niels Schneider) zu trennen. Mittlerweile hat sie ein glückliches Leben mit Ehemann Étienne (Paul Hamy) und zwei Kindern. Nach zehn Jahren als Therapeutin möchte Sibyl sich wieder dem Schreiben widmen und gibt fast alle ihre Patient*innen ab. Da erreicht sie der Hilferuf der jungen Schauspielerin Margot (Adèle Exarchopoulos). Margot ist von ihrem Kollegen Igor (Gaspard Ulliel), mit dem sie eine Affäre hat, schwanger und möchte das Kind abtreiben, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Erschwert wird die Angelegenheit dadurch, dass Margot und Igor die Hauptrollen in einem Film spielen, welcher gerade von Igors Lebensgefährtin, der deutschen Regisseurin Mika (Sandra Hüller), auf der italienischen Insel Stromboli gedreht wird. Nach wiederholtem Bitten Margots willigt Sibyl ein, ihr bei den Dreharbeiten beizustehen. Doch die Produktion gestaltet sich immer chaotischer. Ein Zustand, der bald auch auf die Therapeutin abfärbt…

Anatomie eines Falls von Regisseurin Justine Triet (geboren 1978), über eine von Sandra Hüller gespielte Frau, die wegen des Todes ihres Ehemannes vor Gericht steht, gewann nicht nur die Goldene Palme und den Palm Dog Award bei den Filmfestspielen von Cannes 2023, sondern auch fünfmal den Europäischen Filmpreis und weitere Auszeichnungen bei unterschiedlichen Festivals. Nach zwei Golden Globes (Bester internationaler Film, bestes Drehbuch) folgte noch der Oscar für das beste Original-Drehbuch bei der Verleihung im März 2024, den Triet gemeinsam mit ihrem kreativen Partner und Lebensgefährten Arthur Harari gewann. Auch bei Triets vorherigem Spielfilm arbeitete das Duo zusammen. Sibyl – Therapie zwecklos handelt von der titelgebenden Psychotherapeutin, die ihren Job an den Nagel hängen will, um sich wieder ihrer alten Leidenschaft, dem Schreiben zu widmen. Doch der besonders schwierige Fall einer jungen Schauspielerin in der Krise lockt Sibyl und durch die chaotisch verlaufenden Dreharbeiten eines Films fühlt sie sich zunehmend inspiriert.

Parallel zum Hauptplot um die berufliche Neuorientierung der Protagonistin und ihrer Beteiligung am Filmdreh gibt es immer wieder Szenen aus Sibyls Vergangenheit, in welcher sie mit Alkoholismus zu kämpfen hatte und eine leidenschaftliche, teils selbstzerstörerische Beziehung mit Gabriel führte. Hinsichtlich der Erzählperspektive bleibt der Film durchgehend bei der Titelheldin. Inhaltlich wirkt die Geschichte allerdings bisweilen etwas zu unausgegoren und sprunghaft. Obwohl Triet hier mit leichter Überzeichnung arbeitet und manche Szenen eher lustig wirken, so funktioniert Sibyl für mich ganz klar als Drama und weniger als Satire oder Komödie.

Die Regisseurin kann sich bei der teils turbulenten, aber immer irgendwie ruhig inszenierten Geschichte voll auf ihr hochkarätiges Ensemble verlassen. Virginie Efira (Elle [2016], Benedetta [2021]) überzeugt in der zentralen Hauptrolle sowohl als jüngere, verlorene Sibyl als auch als ältere, reifere Version. Adèle Exarchopoulos (Blau ist eine warme Farbe), zuletzt auch in Smoking Causes Coughing, The Five Devils und Passages zu sehen, spielt die sich in einer Ausnahmesituation befindliche Schauspielerin Margot. Als etwas schmierigen Igor sehen wir den 2022 viel früh nach einem Skiunfall verstorbenen Gaspard Ulliel (Mathilde – Eine große Liebe, Hannibal Rising). Sandra Hüller (mit Anatomie eines Falls und The Zone of Interest in zwei dieses Jahr Oscar-gekrönten Werken vertreten) hinterlässt als leicht überkandidelte Filmregisseurin Mika ebenfalls einen starken Eindruck. Außerdem sind Laure Calamy (Ava – Plötzlich erwachsen) als Sibyls unzufriedene Schwester, Niels Schneider (der Lebensgefährte Virginie Efira; Odysseus [Serie] [2013]) als Gabriel und Arthur Harari in der Rolle von Sibyls Supervisor mit dabei.       

Sibyl – Therapie zwecklos ist seit dem 20. November 2020 auf DVD verhältlich und aktuell als kostenpflichtiger Stream bei diversen Anbietern verfügbar.

Fazit: Trotz guter schauspielerischer Leistungen und einer dezent überzeichneten Story bleibt Sibyl insgesamt etwas unausgegoren. 7 von 10 Punkten.


Sibyl in der Gruppentherapie
Margot und Igor
Sibyl und Margot



Marius Joa, 6. April 2024. Bilder: Alamode Film.


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