Avatar

Eine neue Welt. Ein neuer Anfang. Neue, revolutionäre Technologie. Neue Dimensionen des Marketings. Bei soviel Neuem muss doch irgendwas „Altbewährtes“ dabei sein. Inwiefern das Publikum bei James Camerons Mammutprojekt Avatar nicht mit zuviel Neuem überfordert wird, lesen Sie in der folgenden DVD-Kritik.

Avatar – Aufbruch nach Pandora (Avatar)
Science-Fiction/Fantasyfilm USA 2009. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 155 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Sam Worthington, Zoë Saldana, Stephen Lang, Sigourney Weaver, Giovanni Ribisi, Michelle Rodriguez, Joel David Moore u.v.a. Drehbuch und Regie: James Cameron.

Oberflächliches Ökomärchen

Im Jahr 2154 bereist die Menschheit den Weltraum. Auf dem fernen Planetenmond Pandora wurde ein wertvoller Rohstoff ausgemacht, der vor allem für große Konzerne von Interesse ist. Ein Team von Militärs und Wissenschaftlern soll die Gewinnung des wertvollen Materials in die Wege leiten. Der nach einem missglückten Einsatz querschnittsgelähmte Marine Jake Sully (Sam Worthington) soll für das Avatar-Projekt auf Pandora die Rolle seines getöteten Zwillingsbruders übernehmen. Die Exobiologin Dr. Grace Augustin (Sigourney Weaver), der Xeno-Anthropologe Norm Spellman (Joel David Moore) und Jake schlüpfen dank revolutionärer Technologie in die Avatare, synthetische Körper, die die Anpassung an die für Menschen lebensfeindlichen Bedingungen auf Pandora ermöglichen und die „Träger“ wie die einheimischen Ureinwohner namens Na’vi aussehen lassen.

Neytiri

Bei der ersten Expedition in die Urwälder Pandoras wird Jake von seinem Team getrennt und trifft auf die Na’vi-Prinzessin Neytiri (Zoë Saldana), Tochter des hiesigen Stammeshäuptlingspaares. Die geheimnisvolle „Wilde“ rettet Jake vor tödlichen Raubtieren. Als Neytiri Jake mit zu ihrem Volk nimmt, macht sich Unruhe unter den Eingeborenen breit. Dem diplomatischen Geschick von Häuptlingsfrau Moat (CCH Pounder) ist es zu verdanken, dass Jake für einige Zeit unter den Na’vi bleiben darf. Zurück in seinem menschlichen Körper bekommt Jake vom kommandierenden Colonel Quaritch (Stephen Lang) den Auftrag, die Na’vi kennen zu lernen und sie allmählich zur Umsiedlung zu bewegen. Denn der wertvolle Rohstoff, der abgebaut werden soll, befindet sich mitten im Zentrum des Heimatgebietes der Na’vi.

Mit Terminator (1984) und Terminator 2 – Tag der Abrechnung (1991) revolutionierte er das Actionkino, mit Titanic (1997) drehte der er den bis dato erfolgreichsten Film aller Zeiten (ohne Berücksichtigung der Ticketpreis-Inflation). Doch mit seinem über 15 Jahre vorbereiteten Science-Fiction-Film Avatar – Aufbruch nach Pandora sollte Oscar-Preisträger James Cameron diesen Rekord noch einmal überbieten. Wie er das nur wieder geschafft hat?

Dank des Performance-Capture-Verfahrens gelang es Cameron und seinem Team menschliche Darsteller in Figuren einer komplett am Computer entstandenen Welt zu übertragen, inklusive flüssiger Bewegungen, wie es z. B. auch in Animationsfilmen von Robert Zemeckis (Die Legende von Beowulf , Eine Weihnachtsgeschichte) angewendet wurde. Avatar besteht etwa zu 40 Prozent aus real gefilmten Szenen, die übrigen 60 Prozent entstanden virtuell. Trotz aller Künstlichkeit funktioniert die visuelle Komponente hervorragend. Wie nicht anders erwartet sind vor allem die am Computer entstandenen Bilder wirklich beeindruckend. Der Planet Pandora präsentiert sich weitgehend als ungezähmt schöne Dschungelwildnis, mit einer Pflanzenwelt die auch aufgrund ihrer Dimensionen an die Meeresflora erinnert. Auch die Tierwelt wirkt exotisch, z.B. die Mischung aus Nashorn und Hammerhai.

Aus optischer Sicht kann Avatar also überzeugen, doch wie sieht es mit dem Inhalt aus. Cameron schrieb einen ersten Drehbuchentwurf bereits 1994 und plante die Verwirklichung des Projekts nach Titanic, doch merkte er bald, dass die Tricktechnik noch nicht so weit war bzw. die Kosten des Films astronomische Höhen erreicht hätten. 2006 vollendete Cameron das Script, die Dreharbeiten fanden 2007 statt. Nach eigenen Angaben verarbeitete Cameron in Avatar viele Einflüsse aus von ihm geschätzten Science-Fiction-Werken anderer Autoren. Dennoch ist der Film kein klassischer Genre-Abklatsch. Aber insgesamt präsentiert sich die Story wenig innovativ.

Bei Avatar ging es wohl von vorneherein nicht darum, eine möglichst neuartige, bahnbrechende Geschichte zu erzählen, sondern mit einem auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebrachten Inhalt die größtmögliche Akzeptanz unter dem weltweiten Publikum zu erreichen, was mit einem weltweiten Einspielergebnis von ca. 2,7 Milliarden Dollar natürlich gelang. Avatar ist also nicht mehr als ein Kassenschlager mit Ansage, ein Film der auf nichts als maximalen Gewinn ausgerichtet ist, wie eben Titanic oder die zweite Star Wars-Trilogie von George Lucas.

In einer solchen Marketing-Maschinerie ist es eher hinderlich, wenn die Story des Films mit revolutionären Elementen aufwartet. Und so präsentiert sie sich als glatt gebügeltes, oberflächliches Produkt. Es scheint, als habe man sich nicht einmal die Mühe gemacht die zum absoluten Standard gehörige Drei-Akt-Dramaturgie in neuem Gewand zu zeigen oder mit wirklich neuen Ideen aufzuwerten. Die Geschichte um einen Soldaten, der die Lebensweise des „Feindes“ kennen- und schätzen lernt und die Seiten wechselt (wie es Jake hier widerfährt), hat man in fast gleicher oder zumindest ähnlicher Form schon häufiger gesehen, etwa in Last Samurai, Der mit dem Wolf tanzt oder The New World. Das Regendwald-/Dschungel-Setting und die Ökobotschaft erinnern an den Zeichentrickfilm Ferngully – Crista und Zacks Abenteuer im Regenwald.

Erschwerend kommt bei der Figurenzeichnung eine in der heutigen Zeit ausgelutschte Schwarzweiß-Malerei hinzu. Die Rollen sind zu klar verteilt. Colonel Quaritch und der aalglatte Manager Selfridge (Giovanni Ribisi) sind die Bösen, die Wissenschaftler und die Eingeborenen natürlich die Guten. Für ausgewogene Charaktere scheint hier kaum Platz, schließlich braucht der Film auch genügend Zeit, um sich ausgiebig an seinen eigenen Bildern zu berauschen. Dabei verläuft die Kritik an Militarismus und politischen Machenschaften der Mega-Konzerne im Sande. Avatar ist spannend und kurzweilig, aber weniger Effekthascherei hätte es auch getan.

Auch Filmkomponist James Horner passt sich der Tiefe des Drehbuchs an und liefert einen vergleichsweise schlechten Score ab, der zum großen Teil aus weichgespülter Pseudo-Weltmusik besteht. Außerdem recycelt Horner einfach Teile seiner schwachen Filmmusik ausTroja, nämlich das angeblich stimmungsvolle Getrommel und das fast bis zum Erbrechen ausgereizte Ethno-Geheule, das vor allem den Klimax des Films zu ruinieren vermag.

Fazit: Avatar verdient in keiner erdenklichen Weise das Prädikat „Meisterwerk“. Wegen einer oberflächlichen, nach einfallslosestem Blockbuster-Schema geschnitzten Story bietet James Camerons x-ter Kassenschlager trotz starker Optik nur durchschnittliche Kost. 5 von 10 Punkten.


Jake Sully

Kampf um Pandora

DVD-Features (Single Disc Edition)

Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Türkisch

Bonusmaterial: Fehlanzeige

Marius Joa, 4. Januar 2011. Bilder: 20th Century Fox.

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