Nine

Der Erfolg des Broadway-Musicals Nine zog 2009 eine prominent besetzte Filmversion nach sich. Marius Joa hat sich die Adaption angesehen und muss einmal mehr feststellen, dass eine gute Bühnenshow noch lange keinen guten Film bedeutet.

Nine
Musical USA/Italien 2009. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 114 Minuten (PAL-DVD).
Mit: Daniel Day-Lewis, Marion Cotillard, Penélope Cruz, Judi Dench, Fergie, Kate Hudson, Nicole Kidman, Sophia Loren u.v.a. Regie: Rob Marshall. Drehbuch: Michael Tolkin und Anthony Minghella. Nach dem gleichnamigen Broadway-Musical und dem Film 8 ½ von Federico Fellini.


Starbesetzte Langeweile

Italien in den 1960ern. Der berühmte Erfolgsregisseur Guido Contini (Daniel Day-Lewis) steckt in einer schweren Krise. Seine letzten Filme waren Flops und seit geraumer Zeit plagt ihn eine schwere Schreibblockade. Auch der Druck der Öffentlichkeit nimmt zu, stehen doch die Dreharbeiten zu dem geplanten filmischen Großprojekt „Italia“ kurz bevor. Guido hat allerdings noch keine Zeile Drehbuch zu Papier gebracht. Auch seine Flucht in ein abgelegenes Hotel bleibt von der allgegenwärtigen Presse nicht unentdeckt. Ständig versucht sich Guido zu verkriechen und hadert mit seinem Leben. Zentrales Thema seiner Gedanken und Träume sind die Frauen in seinem Leben: seine sanfte Ehefrau Luisa (Marion Cotillard), seine schlichte Geliebte Carla (Penélope Cruz), seine Vertraute und Kostümdesignerin Lilli (Judi Dench), seine Muse und Lieblingsschauspielerin Claudia (Nicole Kidman), die Hure Saraghina (Fergie) sowie die aufreizende Modejournalistin Stephanie (Kate Hudson) und natürlich Guidos Mama (Sophia Loren), die leider schon verstorben ist. Mit der Zeit wird dem Filmemacher klar, dass die Beziehungen zu seinen Frauen sein Leben widerspiegeln. Wird er seine Midlife-Crisis überwinden können?

Basierend auf Federico Fellinis autobiografischen Film 8 ½ (Otto E Mezzo), über einen erfolgreichen Regisseur in der Krise, wurde 1982 am weltberühmten Broadway das Musical „Nine“ uraufgeführt. Besonders erfolgreich war 2003 die Wiederauflage mit Hollywoodstar Antonio Banderas in der Hauptrolle des kriselnden Maestro. 2007 wurde der frühere Choreograph Rob Marshall als Regisseur für eine Verfilmung des Bühnenstücks verpflichtet. Bereits 2002 hatte Marshall mit Chicago ein beliebtes Musical erfolgreich auf die Leinwand gebracht. Für die acht „Hauptrollen“ in Nine konnte man sehr namhaftes und preisgekröntes Personal finden: den zweifachen Oscarpreisträger Daniel Day-Lewis (Mein linker Fuß, There Will Be Blood) als Guido, Oscarpreisträgerin Marion Cotillard (La Vie En Rose) als vernachlässigte Ehefrau, Oscarpreisträgerin Penélope Cruz (Vicky Christina Barcelona) als Geliebte, Oscar-Preisträgerin Judi Dench (Shakespeare in Love) als erfahrene Kostümdesignerin, Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman (The Hours) als Guidos Muse und Sophie Loren (Hochzeit auf Italienisch) als Mamma. Außerdem die Grammygewinnerin Stacy „Fergie“ Ferguson von den Black Eyed Peas als Hure und die immerhin für einen Goldjungen nominierte Kate Hudson (Almost Famous) als Modereporterin. Nine geizt nicht mit großen Namen und vielen Oscar-Gewinnern. Auch hinter den Kulissen waren „vergoldete“ Filmschaffende am Werk. Der 2008 überraschend verstorbene Anthony Minghella (Der englische Patient) schrieb mit am Drehbuch, außerdem gewann Kameramann Dion Beebe den Academy Award 2006 für das Historiendrama Die Geisha.

Eigentlich hätte hier nichts schief gehen können und bei der im März 2010 abgehaltenen Oscar-Verleihung hätten die Darstellerinnen die prestigeträchtigen Goldjungen unter sich verteilen können. Doch dass Nine den großen Erwartungen nicht gerecht werden konnte, sprach sich in der amerikanischen Kritikerlandschaft schon bald herum. So floppte der Film völlig zurecht und gewann verdientermaßen keinen einzigen Oscar. Denn trotz der vielen Stars und Könner ist Nine eine knapp zweistündiges Beispiel für nett inszenierte Oberflächlichkeit, die an der Unfähigkeit des Regisseur Rob Marshall krankt, Emotionen auf das Publikum zu übertragen.

Schon im unverdienten, sechsfachen Oscar-Gewinner-Musical Chicago bewies Marshall, dass er als erfahrener Choreograph flotte Musical-Szenen auch in einem Film inszenieren konnte. Die aus Groschenroman-Stereotypen und Nummern-Revue-Klischees zusammengesetzte Story bot keinen Tiefgang und forderte Marshall in dieser Hinsicht auch nicht. Gravierende Schwächen Marshalls offenbarten sich erst bei Die Geisha, einem farbenprächtigen und wunderschön gefilmten, aber gefühlsmäßig unterkühlten Historiendrama. Diese Schwächen des Regisseurs fallen nun bei Nine gravierend ins Gewicht, den bis auf eine Ausnahme sind die Charaktere völlig flach und für den Zuschauer weitgehend uninteressant. Das fällt schon bei Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis auf, der als Guido eigentlich nur lamentierend in der Ecke sitzt und singend vor sich hinjammert. Aber auch bei den weiblichen Charakteren sollte man keine psychologischen Ansätze oder so etwas tiefgreifende Interpretationen erwarten. Penélope Cruz ist als Guidos geistig schlichte Geliebte einfach peinlich. Das fehlende Gesangestalent versucht die Spanierin mit möglichst aufreizenden Posen zu kompensieren, was den Part aber noch lächerlicher macht. Da fragt man sich warum Cruz für die Rolle eine Oscar-Nominierung und nicht eine Goldene Himbeere erhielt. Die übrigen Schauspielerinnen sind mit ihren schablonenartigen Charakteren völlig unterfordert, wie z.B. Judi Dench oder Nicole Kidman. Bei der Australierin kommt erschwerend hinzu, dass sie ihre Mimik beim Schönheitschirurgen gelassen hat.

Die einzig gute Performance liefert die Französin Marion Cotillard, weil sie die einzige im gesamten Ensemble ist, die es versteht, ihrer Figur, der vernachlässigten betrogenen Ehefraue eine starke emotionale Seite zu verleihen, die ihren Höhepunkt im Oscar-nominierten Song „Take It All“ findet. Dies ist leider auch das Highlight des gesamten Films. Denn trotz flotter und unterhaltsamer Songs versagen Regisseur Rob Marshall und sein Team auch hier fast auf ganzer Linie. Bildeten bei Chicago die netten Musical-Nummern noch den positiven Teil des Films, so wird dem Zuschauer hier die Freude an denselbigen genommen. Fast stümperhaft werden die Musical-Sequenzen so zerschnitten, dass man sich auf die Songs und Tanzeinlagen nicht wirklich einlassen kann, selbst wenn man wollte. Neben der oberflächlichen Story und den uninteressanten Figuren verleiht die visuelle Verstümmelung der Songs Nine eine weitere Überdosis Langeweile. Regisseur Rob Marshall sollte lieber wieder zurück auf den Broadway, denn lediglich die Fähigkeit einen Song optisch wirkungsvoll auf einer Showbühne zu inszenieren, qualifiziert nicht für den Job des Hollywood-Regisseurs.

Fazit: Langweilige Story, oberflächliche Charaktere und verstümmelte Musical-Szenen machen Nine zum zweitklassigen Langweiler mit Starbesetzung. 3 von 10 Punkten.

Die Frauen aus Nine


DVD-Features (Verkaufsstart: 27. August 2010)

Sprachen: Deutsch, Englisch (jeweils Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial

Der unvergleichliche Daniel Day-Lewis (5 Min.)
Die Diven von „Nine“ (11 Min.)
Choreografie von „Be Italian“ (4 Min.)
Choreografie von „Cinema Italiano“ (9 min.)
Regisseur Rob Marshall (8 Min.)
Der Look von „Nine“ (8 min.)
Die Tänzer von „Nine“ (5 Min.)
Interviews mit Darstellern und Crew (33 Min.)
Musikvideo zu „Cinema Italiano“ und Making Of
Musikvideo zu „Unusual Way“
Musikvideo zu „Take It All“
Diverse Trailer

Marius Joa, 25. August 2010. Bilder: Senator.

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Chicago (5/10)


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