The Rocky Horror Picture Show

Nachdem ihr Auto liegen geblieben ist sucht ein junges Paar Zuflucht in einem geheimnisvollen Schloss, in dem schräge Gestalten hausen. Vorhang auf für The Rocky Horror Picture Show!

The Rocky Horror Picture Show
Musical/Horrorkomödie/Science-Fiction UK, USA 1975. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 96 Minuten (PAL-DVD) bzw. 100 Minuten (BluRay).

Mit: Tim Curry, Susan Sarandon, Barry Bostwick, Richard O’Brien, Patricia Quinn, Little Nell, Peter Hinwood, Meat Loaf, Jonathan Adams, Charles Gray u.a. Regie: Jim Sharman. Drehbuch: Richard O’Brien und Jim Sharman. Nach dem Bühnenmusical
The Rocky Horror Show von Richard O’Brien.

 

 

 

My First Time Warp

Ein angenehm lauer, später Samstagsabend Ende Juli. Open-Air-Kino mit einem besonderen Film: The Rocky Horror Picture Show. Für mich mein erster Trip in die kuriose Welt des Kult-Musicals.

Das junge, frisch verlobte Paar Brad (Barry Bostwick) und Janet (Susan Sarandon) befindet sich auf dem Weg zu einem Besuch bei ihrem früheren Lehrer Dr. Scott (Jonathan Adams), als eine plötzliche Reifenpanne ihre Fahrt stoppt. In einem nahegelegenen Schloss will das Paar eigentlich nur das Telefon benutzen. Doch im Anwesen stoßen die Verlobten auf merkwürdige Gestalten. Schlossbesitzer Dr. Frank N. Furter (Tim Curry), ein transsexueller Wissenschaftler, hält just in dieser Nacht eine Convention von “Transsylvaniern” ab, zu deren Höhepunkt er seine Schöpfung präsentiert: den blonden Muskelmann Rocky (Peter Hinwood). Ehe sich Brad und Janet versehen stecken sie mitten in einer Reihe absonderlicher Ereignisse, die von Frank und seinem Personal, dem buckligen Butler Riff Raff (Richard O’Brien), Hausmädchen Magenta (Patricia Quinn) und Groupie Columbia (Little Nell), inszeniert werden…

 Brad und Janet

Anfang der 1970er fristete Richard O’Brien (geboren 1942) ein Dasein als arbeitsloser Schauspieler in London. Um sich zu beschäftigten, verfasste der britisch-neuseeländische Mime das Skript zu einem Musical. Unter dem Titel The Rocky Horror Show premierte O’Briens Stück im Juni 1973 in einem kleineren Theater Londons, erobert aber in der Folge größere Bühnen der britischen Hauptstadt. Nachdem die Show auch ihren Weg über den großen Teich gefunden hatte, wurde eine Film-Adaption gedreht. Der Australier Jim Sharman, der auch die Bühnenversion inszeniert hatte, führte Regie und schrieb gemeinsam mit O’Brien das Drehbuch. Am 14. August 1975 feierte der Film seine Premiere in London, am 26. September des gleichen Jahres wurde er erstmals in den USA (Los Angeles) gezeigt. Doch erst als die Leinwand-Adaption ab 1976 in Midnight-Screenings gezeigt wurde, stellte sich der Erfolg ein. Weil sich schnell eine Fangemeinde mit dem Hang zu häufigen Wiederholungssichtungen gebildet hatte, avancierte The Rocky Horror Picture Show sukzessive zum Kassenschlager (der das hundertfache seines Budgets eingespielt hat) und Kultfilm. Bis heute gibt es Lichtspielhäuser, welche den Musicalstreifen jedes Jahr wenigstens ein Mal aufführen.

Ich selbst hatte zwar schon des öfteren von “Rocky Horror Picture” und dem Signature-Hit Time Warp gehört, aber meine erste Sichtung fand erst bei dem oben erwähnten Freiluftkinoabend statt. Für mich als Fan des umfassenden Genres Dark Cabaret und des Filmmusicals Moulin Rouge von Regisseur Baz Luhrmann war die Adaption ein großer Spaß. O’Brien mixte sein krudes Szenario aus unterschiedlichsten Zutaten und Einflüssen zusammen. Dabei wird mit der Handlung um die Titelfigur nicht nur der Frankenstein-Mythos parodiert, sondern auch “klassische’” Musicals. Wie schon das aufmerksame Zuhören beim Introsong Science Fiction/Double Feature verrät, zitiert “Rocky” auch Scifi-Filme der 1930er bis 1960er wie die Flash Gordon-Kinoserials (1936), Der Tag an dem die Erde stillstand (1951), King Kong und die weiße Frau (1933), Alarm im Weltall (1956, OT: Forbidden Planet) oder Blumen des Schreckens (1962, OT: Day of the Triffids) sowie Horror-B-Movies aus dieser Zeit. Für die Dreharbeiten der Filmfassung wurden daher einige Requisiten aus alten Hammer-Produktionen wiederverwendet.

Mit Tim Curry als Dr. Frank N. Furter, Richard O’Brien als Riff Raff, Patricia Quinn als dessen Schwester Magenta und Nell Campbell (alias Little Nell) als Columbia übernahmen die Darsteller der Original-Bühnenfassung ihre Rollen auch im Kinofilm. Rockmusiker Michael Lee Aday alias Meat Loaf wiederholte ebenfalls seinen eher kleinen Part als Ex-Lieferjunge Eddie aus einer amerikanischen Bühnenproduktion. Als Transvestiten-Version des postmodernen Prometheus überstrahlt Tim Curry den ganzen Film, bewegt sich hemmungslos geschminkt in Mieder und Strapse, aufreizend-geschmeidig sowie mit genüsslichst überzeichneter Sprache und Intonation (der gnadenlose Posh-Akzent und das Aussehen erinnern mich sehr an David Bowie in seiner androgynen Glamrock-Phase) durch die ganze Szenerie. Den krassen, amerikanisch-puritanischen Gegenentwurf zum freizügigen “Alien” verkörpern Barry Bostwick (Megaforce, Spin City) und Susan Sarandon (Thelma & Louise, Feud) als verklemmtes Spießerpärchen Brad und Janet. Der heimliche Star ist (jedenfalls für mich) Autor und Komponist Richard O’Brien als verschlagen dreinblickender Igor-Verschnitt Riff Raff, der mit seiner durchgeknallten Schwester Magenta ein infernalisches Duo bildet. Zusammengehalten wird das krude Treiben von Erzähler Charles Gray (bekannt als Blofeld in James Bond: Diamantenfieber), der die Handlung mit britischem Understatement und überzogen-archaischer Received Prounciation kommentiert.

Das Leinwanderlebnis Rocky Horror Picture Show funktioniert eigentlich nur mit der kultigen Publikumsbeteiligung. Zwar hatten sich an jenem Open-Air-Kinoabend nur sehr wenige Zuschauer in androgyn-aufreizende Outfits gesteckt, aber hinsichtlich Aktionen und Kommandos war das Publikum fast voll im Bilde. Meine Freunde und ich studierten zuvor noch ein wenig die Tanzschritte des “Time Warp” ein, was während des Films dann auch ganz ordentlich klappte. Jedenfalls kann ich den Kultfaktor nun sehr gut nachvollziehen.

The Rocky Horror Picture Show ist seit längerem auf DVD und BluRay erhältlich sowie auch bei Streaminganbieterin wie Amazon, Maxdome, Itunes und Google Play abrufbar. 2016 erschien im amerikanischen Fernsehen ein Remake mit dem Titel The Rocky Horror Picture Show: Let’s Do The Time Warp Again, mit Transgender-Schauspielerin Laverne Cox (Orange is the New Black) als Dr. Frank N. Furter, Reeve Carney (Penny Dreadful) als Riff Raff und mit Tim Curry in der Rolle des Erzählers.

Fazit: Spaßig-mitreißende, schrille Musical-Travestie in mehrfacher Hinsicht, deren Kultfaktor nicht zu Unrecht besteht. 9 von 10 Punkten. “Let’s do the Time Warp Again!”



von links: Columbia, Dr. Frank N. Furter, Magenta und Riff Raff

Die Transsylvanier

 


Der Schöpfer und seine Kreatur


Charles Gray als Erzähler

Marius Joa, 18. August 2019. Bilder: Fox.

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Kommentare

Eine Antwort zu „The Rocky Horror Picture Show“

  1. Avatar von Gnislew

    Nur echt mit “Boring”-Rufen. Rocky Horror ist immer wieder ein Spaß und ich hoffe den Film auch mal in den Museumsfestspielen in München zu schauen.

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