Buddenbrooks

Deutsche Filme sind „in“. Kein Wunder, dass sich die Filmemacher nun auch trauen, Großes anzugehen. Thomas Manns Roman „Buddenbrooks: Verfall einer Familie“ gehört mit Sicherheit dazu – und Dokuspiel-Regisseur Heinrich Breloer hat sich den Jahrhundertroman vorgenommen.

Buddenbrooks
Literaturverfilmung, Deutschland 2008. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. 152 Minuten. Deutscher Kinostart: 25. Dezember 2008
Mit: Mark Waschke, Armin Mueller-Stahl, August Diehl, Jessica Schwarz, Iris Berben, Lea Bosco, Raban Bieling, Justus von Dohnanyi, Alexander Fehling, Fedja van Huêt, Maja Schöne, Nina Proll, Martin Feifel, Sunnyi Melles, Sylvester Groth, Andre M. Hennicke u.a. Regie: Heinrich Breloer. Buchvorlage: Thomas Mann

Familie geht vor!

Nach Die Buddenbrooks von 1923, dem Zweiteiler Buddenbrooks von 1959 und der Fernsehserie Die Buddenbrooks von 1979 legt Heinrich Breloer nach fast 30 Jahren eine weitere Verfilmung vor. Spannend ist vor allem, dass Breloer bisher nicht für Kinofilme, sondern für TV-Dokuspiele bekannt ist. Auf sein Konto gehen die großen Erfolge Todesspiel (1997, über die Entführung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF und die Entführung der deutschen Lufthansa-Maschine Landshut) und Die Manns (2001). Buddenbrooks ist sogar Breloers erster Kinofilm.

In der Hansestadt Lübeck konkurrieren seit vielen Jahren die beiden Kaufmannsfamilien Buddenbrook und Hagenström. Patriarch Jean Buddenbrook (Armin Mueller-Stahl) führt die Familie mit harter Hand, steht aber auch für den Zusammenhalt. Mit seiner Frau Bethsy (Iris Berben) und den drei Kindern Thomas (Mark Waschke), Christian (August Diehl) und Tony (Jessica Schwarz) behauptet er sich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Sein Erfolgsrezept: Niemals unkontrollierbare und damit unsichere Geschäfte eingehen. Aber auch ihm unterläuft ein Fehler: Er verheiratet seine Tochter Tony mit dem Hamburger Kaufmann Bendix Grünlich (Justus von Dohnanyi), der sich allerdings als Mitgiftjäger entpuppt und satte 90.000 Mark einstreicht. Ab diesem Zeitpunkt wird Jean misstrauisch, scheinbar hat er sein Verhandlungstalent verloren. Er übergibt den Getreidehandel an seinen Sohn Thomas und stirbt kurz darauf. Aber auch die anderen Ehen in der Familie stehen unter keinem guten Stern: Tonys zweite Ehe mit dem Münchner Alois Permaneder (Martin Feifel) geht in die Brüche, Thomas und seine Frau Gerda (Lea Bosco) werden nicht wirklich glücklich – sie bekommen zwar einen Sohn (Hanno, Raban Bieling), dieser erweist sich aber als wenig interessiert am Geschäft und gibt sich eher der Musik hin. Und Christian lebt ausschweifend und zeugt Kinder außerhalb des für einen Buddenbrooks angemessenen Standes. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis Konkurrent Hagenström (Fedja von Huet) die Buddenbrooks ein- und überholen wird…

Konsul Jean Buddenbrook hat die Täuschung durch Bendix Grünlich nicht so einfach weggesteckt.

Wenn es um die Verfilmung deutscher Literatur geht, hätte sich Heinrich Breloer für sein Kinodebüt wohl kaum einen schwierigeren Stoff aussuchen können. Denn Thomas Manns erster Roman von 1901 umfasst mehr als 750 Seiten – und die müssen hier in 150 Minuten passen. Breloer ist daher darauf angewiesen, Schwerpunkte zu setzen und gewisse Ereignisse, die nicht fürs Fortkommen der Geschichte relevant sind, zu streichen. Er beginnt seinen Film daher mit der Generation um Jean Buddenbrook und spart dessen Vater Johann aus.
Dennoch bleibt viel Stoff für zweieinhalb Stunden Kino. Und genau da liegt auch die mitunter einzige wirkliche Schwäche des Films. Wer den Roman von Thomas Mann nicht kennt, dürfte es schwer haben, in allen Generationen den Überblick zu behalten. Mitunter werden Situationen nur kurz angerissen, manche Handlungsstränge gar gekappt oder nicht erklärt Aufklärung könnte hier die Langfassung bringen, die wir in absehbarer Zeit auf Arte und in der ARD sehen werden.

Ansonsten hat Breloer viel richtig gemacht. Allem voran stehen Ausstattung und Besetzung. Die Kulissen sorgen dafür, dass sich der Zuschauer gut in die Zeit der Buddenbrooks zurückversetzen kann – ob im Haus oder außerhalb. Auch das Wirtschaftleben der damaligen Zeit wird authentisch dargestellt. Dass Breloer bei der Besetzung auf den deutschen Hollywood-Export Armin Mueller-Stahl setzt, ist die einzig logische Konsequenz, nachdem dieser bereits in Die Manns brillieren konnte. Allerdings stirbt seine Figur Jean schon nach der Hälfte des Films, die Hauptrolle wandert so an Mark Waschke, der einen guten Thomas Buddenbrook gibt, der von wirtschaftlichen und familiären Problemen aber mehr und mehr gezeichnet wird. Auch sein Bruder Christian wurde mit August Diehl optimal besetzt. An Mueller-Stahl reichen die beiden aber nicht heran. Entgegen vieler anderer Kritiken überzeugen auch Iris Berben als Bethsy und Jessica Schwarz als Tony – obwohl ihnen weit weniger Raum zur Verfügung steht als den Männern.

Nach Buddenbrooks empfiehlt sich auf jeden Fall eine erneute Lektüre des Mann-Romans, auch, um Breloers Vorgehensweise zu verstehen. Denn er baut durchaus einige dramaturgische Spitzen ein, etwa, als Tony sich nach langem Zögern für die Ehe mit Grünlich entscheidet. Im Buch tut sie dies allein, im Film braucht es eine erneute Diskussion in Sachen Familienehre mit Vater Jean. Trotz dieser Unterschiede ist Breloer Verfilmung aber sehr nahe an Manns Roman – und das sollte auch so sein, denn eigene Interpretationen wären hier fehl am Platze.

Fazit: Gelungene Buddenbrooks-Verfilmung mit grandiosen Darstellern und toller Optik. Außerdem passt der Film sehr gut in unsere Zeit mit einer von allen Seiten herauf beschworenen Wirtschaftskrise. 8 von 10 Punkten.


Thomas liebt und leidet mit seiner Ehefrau Gerda.

Streit zwischen Brüdern: Thomas hat für das Lotterleben seines Bruders Christian kein Verständnis.

Hanno ist Thomas einziger Sohn und soll die Firma einmal übernehmen.
Johannes Michel, 2. Januar 2009. Bilder: Warner.

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