Dead Talents Society

Was passiert eigentlich, wenn man gestorben ist und die Lebenden als Geist heimsucht? Dies und mehr erzählt Regisseur John Hsu in der taiwanesischen Horror-Comedy Dead Talents Society, welche bei den Fantasy Filmfest White Nights 2025 lief.  

Dead Talents Society (Gui cai zhi dao)
Horrorkomödie Taiwan 2024. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 110 Minuten. Starttermin: 27. März 2025.
Mit: Gingle Wang, Sandrinne Pinna, Chen Bolin, Eleven Yao, Bai Bai, Soso Tseng, Huang Di-yang u.v.a. Drehbuch: John Hsu und Tsai Kun-Lin. Regie: John Hsu.



Lizenz zum Spuken oder Taiwan sucht das Super-Spuk-Talent

Nach ihrem viel zu frühen Tod spukt ein junges Mädchen (Gingle Wang) mit ihrer ebenfalls toten Freundin Camilla (Bai Bai) eher ziellos durch die Gegend. Doch nach dreißig weiteren Tagen droht sie sich aufzulösen, sofern sie keine offizielle Spuklizenz von der Gesiterjury erhält. Das Vorsprechen läuft allerdings für den Rookie komplett schief. Doch eine mögliche Rettung naht in Person von Makoto (Chen Bolin), der für die Agentur des Grusel-Superstars Catherine (Sandrinne Pinna) arbeitet. Catherine, welche von ihrem ehemaligen Protegé Jessica (Eleven Yao) in der Popularität überholt wurde, zeigt sich skeptisch, denn das Rookie-Mädchen scheint überhaupt kein Talent zum Spuken zu haben. Doch Makoto scheint zuversichtlich und gemeinsam mit Bai Bai sowie dem Kostüm- und Requisitenassistent Kouji (Soso Tseng) macht man sich an die Arbeit…

Leider habe ich es aus Zeitgründen dieses Jahr weder auf die Fantasy Filmfest White Nights (Januar/Februar) noch auf die FFF Nights (Mai 2025) geschafft. Umso schöner, dass ein Film von erstgenannter Nebenreihe des Fantasy Filmfests, dessen Hauptveranstaltung immer im September stattfindet, zeitnah als Stream bei Netflix veröffentlicht wurde. Der taiwanesische Beitrag Dead Talents Society von John Hsu erweist sich als schräge Mischung aus Beetlejuice (1988) von Tim Burton und diversen asiatischen Horror-Streifen.

Mit dem Kino aus Taiwan verbindet man vor allem den Namen Ang Lee, welcher mit so unterschiedlichen Filmen wie Das Hochzeitsbankett (1994), Sinn und Sinnlichkeit (1995), Der Eissturm (1997), Tiger & Dragon (2000), Brokeback Mountain (2005), Gefahr/Begierde (2007) und Life of Pi (2012) vor allem für seine Vielseitigkeit bekannt ist. Zu den jüngeren Vertretern des Taiwan-Films zählt John Hsu. Sein Debüt Detention (2019), basierend auf dem gleichnamigen Videospiel, spielt in den 1960ern zur Zeit des Weißen Terrors, als das Kriegsrecht für lange Zeit herrschte und Oppositionelle unterdrückt wurden. Mit Dead Talents Society hat Hsu seinen zweiten Film als Regisseur gedreht. Nach der Premiere auf dem Taipei Film Festival im Juni 2024 startete die Horror-Komödie im August 2024 in den Kinos Taiwans und lief in der Folge auf diversen internationalen Festivals, unter anderem bei den Fantasy Filmfest White Nights Ende Januar in Deutschland.

Man stelle sich vor, das Leben nach dem Tod wäre eine Art gemischte Bubble aus Medienhype. Influencer-Albernheiten und Casting-Show. Wer nach dem eigenen Ableben keine Spuklizenz erhält muss unter gewissen Voraussetzungen die eigene Auflösung in Kauf nehmen. Man verschwindet also nicht nur in der Bedeutungslosigkeit, sondern völlig. Um diesem Schicksal zu entgehen, versucht die bereits als sehr junge Frau verstorbenem namenlose Protagonistin alias Rookie sich ihre Spuklizenz zu verdienen. Ein ziemlich hoffnungsloser Fall, denn Rookie ist weder spektakulär ums Leben gekommen (durch Mord, Selbstmord oder einen blutigen Unfall) noch gruselig in ihrem unscheinbaren Auftreten. Das Team um Makoto versucht mit aller Macht, aus dem Rookie den neuen Stern am Spuk-Himmel zu machen.

Allein die Idee, das Jenseits als Castingshow-Welt à la Pop Idol (hierzulande: Deutschland sucht den Superstar) oder The Voice darzustellen, erweist sich schonmal als einfallsreich und spaßig an sich. Hsu und sein Co-Autor Tsai Kun-Lin machen daraus aber auch viel, indem sie den oberflächlichen Star-Status und kurzlebigen Ruhm, welche sich aus solchen Formaten und Internet-Hypes speisen, gekonnt überzeichnen. Wer die Lebenden am heftigsten und häufigsten erschreckt erhält nicht nur Millionen Likes von Zuschauer*inne im Dies- und Jenseits, sondern möglicherweise winkt auch der Grusel-Oscar, den die Geister-Diva Catherine über Jahre immer wieder gewonnen hatte, bevor ihr die jüngere Jessica diesen Preis vor der Nase wegschnappte. Bewertet werden die Spuk-Performances (Catherines Act ist die gelenkige „Brückenfrau“ im verfluchten Hotelzimmer Nr. 414, während Jessica ihre Opfer über ein Video heimsucht) von der Spuk-Jury, welche auch über das Erteilen der Lizenz entscheidet.

Das erinnert nicht nur sehr an Tim Burtons  kultiger Horror-Comedy Beetlejuice (1988), von welcher 2024 eine Fortsetzung in die Kinos kam, sondern auch an diverse vor allem asiatische Genre-Streifen wie Ring (Ringu; 1988) und Ju-on: The Grudge (2002) aber auch den amerikanischen Klassiker Der Exorzist (1973). Hsu und seinem Team gelingt die stimmungsvolle und teils blutig-brutale Umsetzung bekannter Horror-Settings. Doch darüber hinaus blickt man auch hinter die Kulissen und zeigt auf humoristische Weise, dass guter Spuk nicht so einfach zu bewerkstelligen ist und man dafür auch ein eingespieltes Team benötigt.

Nicht alles zündet hier und manchmal offenbart der Film ein wenig Längen. Doch Dead Talents Society funktioniert auch auf der ernsten Ebene. Wenn Rookie ihr vom Erfolgsdruck des Vaters geprägtes Leben Revue passieren lässt, dann wird es nicht selten nachdenklich und traurig. Zudem vermittelt die Geschichte eine wichtige Botschaft: es ist absolut okay nicht großartig oder besonders zu sein. Das gut aufgelegte Ensemble fügt sich nahtlos in die schrill-schaurige Szenerie ein.          

Dead Talents Society ist seit dem 27. März 2025 Teil des Angebots von Netflix, im Original mit Untertiteln.

Fazit: Geistreich-spaßige Horror-Komödie über das Jenseits als Castingshow, nicht ohne ernste Untertöne. 7 von 10 Punkten.



Makoto ist zuversichtlich
Spuk-Diva Catherine
Begeisterte Jury
Superstar Jessica



Marius Joa, 13. Juli 2025. Bilder: Netflix/Sony.


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