Sucker Punch

Bevor Regisseur Zack Snyder im nächsten Jahr sich an einem Reboot von Superman versucht, schickt er mit Sucker Punch seine eigenen Visionen ins Kino. Marius Joa erlebte ein eigentümliches Stück Kino.

 

Sucker Punch
Fantasy-Abenteuer/Drama USA 2011. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 110 Minuten. Kinostart: 31. März 2011.
Mit: Emily Browning, Abbie Cornish, Jena Malone, Vanessa Hudgens, Jamie Chung, Carla Gugino, Oscar Isaac, Scott Glenn, Gerard Plunkett, Jon Hamm u.v.a. Regie: Zack Snyder. Drehbuch: Zack Snyder und Steve Shibuya.

 

Die groteske Welt des Zack Snyder

Amerika, irgendwann in den 1950ern. Nach dem Tod der Mutter sieht sich die junge Babydoll (Emily Browning) dem sadistischen und lüsternen Stiefvater (Gerard Plunkett) ausgesetzt. Beim Versuch, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, tötet Babydoll versehentlich ihre kleine Schwester und wird daraufhin in die Irrenanstalt von Dr. Vera Gorski (Carla Gugino) eingeliefert. Ihr Stiefvater besticht den Heimleiter (Oscar Isaac), damit dieser an Babydoll eine Lobotomie durchführen lässt, um sie endgültig kalt zu stellen. Es bleiben noch fünf Tage bis der zuständige Arzt (Jon Hamm) eintrifft und den „Engriff“ vollziehen wird.

Um der grausamen Realität zu entfliehen, träumt sich Babydoll in eine andere Welt. Die Psychiatrie wird zum Edel-Bordell, die ausschließlich weiblichen Insassen zu jungen Prostituierten, die ihre Kunden zudem mit aufreizenden Tanznummern anheizen und hierfür von Madame Gorski (Carla Gugino) vorbereitet werden. Die frisch angekommene Babydoll soll in fünf Tagen vom reichsten Kunden, dem High Roller (Jon Hamm) entjungfert werden. Davon erhofft sich der schmierige Zuhälter Blue (Oscar Isaac) viel Geld. Um dem traurigen Schicksal zu entfliehen, plant Babydoll die Flucht und kann bald auf die mehr oder minder volle Unterstützung durch ihre Leidensgenossinnen Sweetpea (Abbie Cornish), Rocket (Jena Malone), Blondie (Vanessa Hudgens) und Amber (Jamie Chung) setzen.

Um dem Bordell entfliehen zu können, müssen die Mädchen vier Gegenstände beschaffen, die sie dem Personal stehlen müssen. Babydoll soll durch ihre eindrucksvollen Tanzeinlagen für Ablenkungen sorgen. In einer zweiten Traumebene begeben sich die fünf Mädchen als bis an die Zähne bewaffnete Kampfmaschinen in Phantasiewelten, um je eine wichtige Mission zu erfüllen.

Nach dem Remake Dawn Of The Dead (2004, nach dem Original von Romero), den Comic-Adaptionen 300 (2007) und Watchmen (2009) sowie dem Eulen-Animationsfilm Die Legende der Wächter (2010) liefert US-Regisseur Zack Snyder nun seinen ersten Film, der nicht direkt auf anderen Werken basiert. Sucker Punch ist zwar die Vision eines Filmemachers, aber gleichzeitig auch ein Achterbahnfahrt an Zitaten der jüngeren von diversen Filmen und Videospielen geprägten Popkultur.

Vorhang auf für einen Film, den es bisher so nicht gab, der aber gleichzeitig aus so vielen sehr bekannten und vielfach abgedroschenen Zutaten besteht. Sucker Punch ist ein furioser Bilderreigen, gleichermaßen für Filmliebhaber allgemein und Computerspiel-Freaks, zugleich aber auch ein überstilisierter, grotesker Abgesang auf zeitgenössische Fantasy-, Science-Fiction- und Actionfilme sowie Videospiel-Klischees.

Allein die vier Level, die die Heldinnen bestehen müssen, sind cineastischer Augenschmaus und groteske Videospielwelt zugleich. In Level 1 erhält Babydoll von einem weisen Mann (Scott Glenn) ihre Waffen (Samurai-Schwert, Pistolen) und wertvolle Tipps, um dann sogleich gegen drei gigantische Samurai-Roboter mit Riesenwaffen zu kämpfen. Allein diese Szene zitiert Tarantinos Kill Bill, Hero, Dead Or Alive und andere Martial-Arts-Filme sowie entsprechende Computerspiel-Settings. Der weise Mann sieht hier in seinem „Bademantel“ auch ein wenig wie Spock aus. In Level zwei kämpfen die Mädchen in einer Steampunk-Version des Ersten Weltkrieges gegen von Zahnrädern gesteuerte untote deutsche Soldaten, natürlich nicht ohne Mecha-Roboter, Luftschiffe, B25-Bomber und allerlei anachronistische Bewaffnung. Im dritten Level ist die Fantasy dran. Das muntere Quintett muss hier einen Drachen töten und gegen eine ganze Stadt voller Orks fighten, die aussehen als hätte man sie 1:1 aus Peter Jacksons Herr der Ringe-Verfilmung übernommen. Im letzten Level lautet der Auftrag, eine Bombe in einem Zug zu entschärfen, der auf eine Stadt zufährt. Gegner sind hier Roboter, die wie eine Mischung aus Iron Man, C3PO aus Star Wars und Terminator-Cyborgs aussehen.

Die Konstellation im Bordell erinnert an Moulin Rouge, die Mädchen tanzen, um die Kunden anzuheizen und anschließend mit ihnen in herzförmigen Betten zu landen. Die gedrehten Musical- und Tanzeinlagen wurden leider aus der Kinofassung herausgeschnitten, sollen aber im geplanten Director’s Cut auf DVD bzw. BluRay veröffentlicht werden. Eine Stärke des Films ist der Soundtrack. Der Zuschauer wird zu Beginn mitten in die Handlung geworfen, die Anfangsszene wirkt wie ein Musikvideo, das von einer Coverversion des Eurythmics-Klassikers „Sweet Dreams“ untermalt wird. Mehrfach wird auch „Army Of Me“ von Björk eingesetzt. Während der Abspann läuft singen Oscar Isaac und Carla Gugino den Song „Love Is The Drug“ von Roxy Music.

Leider wurden bei dem ganzen Getöse die Figuren und auch die Story vernachlässigt. Bis auf die Schwestern Sweetpea und Rocket bleiben die Charaktere der Mädchen kaum ausgearbeitet. Emily Browning sieht als Babydoll aus wie eine Mischung aus Schulmädchen-Lolita, Paris Hilton und Sexpuppe; ihr bleibt nur die undankbare Aufgabe apathisch dreinzuschauen oder zu kämpfen. Gerade als die Geschichte dabei ist, den Zuschauer mit dem Titel gebenden „Sucker Punch“ (unerwarteter Schlag in die Magengegend) wieder in die grausame „Realität“ zurück zu holen, wird es noch konstruierter als zuvor und das Ende des Films ist leider zu glatt.

Fazit: Sucker Punch ist nicht nur die Potenzierung fleischgewordener Jungenträume, sondern vielmehr eine Bestandsaufnahme in Form eines grotesken Abgesangs popkultureller Themen aus Film- und Computerspielwelten. Ein Film, der das Publikum spaltet. 7 von 10 Punkten.

 

Der schmierige Blue

 

Grimmige Orks

 

 

Marius Joa, 3. April 2011. Bilder: Warner.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner