Schriftsteller Joe und Künstlerin Kate sind aus London wieder in Joes Heimatdorf in Irland gezogen, wo sie von ihren Nachbarn mit offenen Armen empfangen werden, in That They May Face The Rising Sun von Regisseur Pat Collins, nach dem Roman von John McGahern. Der irische Film war auf dem 51. Internationalen Filmwochenende in Würzburg zu sehen.
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That They May Face The Rising Sun
Drama Irland, UK 2023. 111 Minuten. Kinostart: unbekannt.Mit: Barry Ward, Anna Bederke, Lalor Roddy, Phillip Dolan, Ruth McCabe, Sean McGinley, Brendan Conroy, John Olohan u.v.a. Nach dem Roman von John McGahern. Drehbuch: Eamon Little und Pat Collins. Regie: Pat Collins.

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Die wunderbare Dorfgemeinschaft
Ende der 1970er. Nach ein paar Jahren in London haben sich Schriftsteller Joe (Barry Ward) und seine Frau, die Künstlerin Kate (Anna Bederke), wieder in Joes Heimatdorf an einem See im irischen County Leitrim niedergelassen. In ihrer Küche sind immer wieder Leute aus der Nachbarschaft zu Gast, etwa Joes Onkel (John Olohan), der eine Autowerkstatt betreibt, Nachbar Jamesie (Phillip Dolan), der alte Landarbeiter Bill (Brendan Conroy), Patrick (Lalor Roddy), der früher als Theaterschauspieler gewirkt hat, und Johnny (Sean McGinley), der in England arbeitet und zu Besuch kommt. Gemeinsam sinniert man über das alltägliche Leben mit seinen Höhen und Tiefen…
John McGahern (1934-2006) war ein irischer Schriftsteller, dessen Werk sich meist mit dem alltäglichen Leben in Irland befasste. Seine Romane sind überwiegend autobiografisch geprägt, denn er verarbeitete darin etwa den frühen Krebstod seiner Mutter, seine Arbeit als Lehrer und das Leben auf dem Land im County Leitrim. McGahern schrieb zudem Drehbücher für Fernsehfilme und einzelne seiner Werke wurden auch verfilmt. Mit That They May Face The Rising Sun adaptierte Regisseur Pat Collins (1916 [Doku-Miniserie]) gemeinsam mit Co-Autor Eamon Little den sechsten und letzten Roman McGaherns fürs Kino. Gedreht wurde die irisch-britische Ko-Produktion allerdings nicht in Leitrim, sondern in der Region Connemara im County Galway. Bei den Irish Film and Television Awards war die Literaturverfilmung in elf Kategorien nominiert und gewann den Preis als bester Film.

Seitdem sich mein Filmkonsum verstärkt auf Arthouse-Kino und Independent-Produktionen fokussiert hat sind es nicht selten die Werke mit einfachen, unspektakulären Geschichten, die mich bewegen und überzeugen. That They May Face The Rising Sun ist einer dieser Filme. Im Grunde passiert in den 111 Minuten nicht viel und die Handlung besteht zu weiten Teilen daraus, dass sich die einzelnen Charaktere unterhalten. Zu Beginn finden diese Gespräche fast ausschließlich in der Küche von Joe und Kate statt, wo fast jeder mal vorbeischaut. Die idyllische Naturkulisse nimmt Joe immer wieder zum Anlass, diese in Worten festzuhalten, wobei man nicht erfährt, ob daraus wirklich ein neuer Roman entsteht.
Viel spannender sind da ohnehin die Begegnungen mit den Menschen in der Dorfgemeinschaft. Alkoholismus, Armut, Einsamkeit und der Tod bleiben natürlich präsent und doch geht es den Menschen dort überwiegend recht gut. Man hilft sich bei handwerklichen Tätigkeiten und bei der Landarbeit gegenseitig. Die Gemeinschaft scheint trotz vereinzelter Konflikte gefestigt und offen für unterschiedliche Lebensweisen. Ein einfaches, schönes Leben auf dem Land, mit lieben Menschen, gutem Essen und gemächlichem Alltag. Auch wenn es gegen Ende ernster und etwas tragisch wird.
Was mich an That They May Face The Rising Sun besonders begeistert hat: das tolle Ensemble. Barry Ward (The Fall – Tod in Belfast) als Joe und die deutsche Schauspielerin Anna Bederke (Soul Kitchen) als Kate erweisen sich als perfekt gecastet. Einen besonders liebenswerten, urig-rauhen Charme strahlen Lalor Roddy (Hunger [2008]) als Patrick, Schauspieldebüttant Phillip Dolan als Jamesie und Brendan Conroy (Die Bounty) als Bill aus. Letzterer hat mich ziemlich an meinem (nicht irischen) Opa mütterlicherseits erinnert. Die völlig unaufgeregt erzählte Geschichte und solch herrlich unglamouröse, vom Leben gezeichnete Gesichter verleihen dem Film große Authentizität.
Fazit: Wundervolle und authentische Liebeserklärung an das einfache Leben im ländlichen Irland. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 5. Februar 2025. Bilder: Filmwelt Verleihagentur.
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