Grand Tour (2024)

Ein Mann flieht vor seiner Verlobten quer durch Asien. Doch sie nimmt unermüdlich die Verfolgung auf, in Grand Tour vom portugiesischen Filmemacher Miguel Gomes (1001 Nacht [2015]), der letztes Jahr in Cannes als bester Regisseur ausgezeichnet wurde.

Grand Tour
Abenteuer/Drama Portugal, Italien, Frankreich, Deutschland, China, Japan 2024. 129 Minuten. Starttermin: 18. April 2025.
Mit: Gonçalo Waddington, Crista Alfaiate, Lang Khê Tran, Cláudio da Silva u.a. Drehbuch: Temo Churro, Maureen Fazendeiro, Miguel Gomes, Mariana Ricardo. Regie: Miguel Gomes.



Die Odyssee von Edward und Molly

1917. Eigentlich sollte der in Birmas Hauptstadt Rangun stationierte britische Kolonialbeamte Edward Abbott (Gonçalo Waddington) endlich seine langjährige Verlobte Emily Singleton (Crista Alfaiate) heiraten. Doch kurz bevor Emily aus London eintrifft ergreift Edward unter einem Vorwand die Flucht. Seine Reise führt in quer durch Asien, von Thailand über Vietnam und die Philippinen nach Japan und China. Dort erhält er immer wieder Telegramme von Emily, die ihm hartnäckig auf den Fersen ist.

In seiner vor zehn Jahren veröffentlichten und über einen Zeitraum von zwölf Monaten gedrehten Trilogie 1001 Nacht (Teil 1: Der Ruhelose, Teil 2: Der Verzweifelte, Teil 3: Der Entzückte) adaptierte Miguel Gomes (geboren 1972) nicht etwa die bekannte Erzählsammlung aus dem arabischen, persischen und indischen Kulturraum neu, sondern erzählte in dokumentarischer Weise unterschiedliche Geschichte aus seiner von der Wirtschaftskrise stark betroffenen Heimat Portugal. Ein paar Jahre später (kurz vor Beginn der Corona-Pandemie) startete Gomes mit seiner Crew eine ausgiebige Asienreise, wo er mit einer 16mm-Kamera allerhand Material einfing. Kombiniert mit einer danach in Portugal und Italien im Studio gedrehten Spielhandlung ergibt das die merkwürdige, meditative, melancholische filmische Odyssee Grand Tour, welche im Gegensatz zu 1001 Nacht in Deutschland nicht ins Kino kam, aber dafür im April 2025 zum Arthouse-Streaminganbieter MUBI.

Das Nebeneinander und Vermischen von dokumentarischem Blick und fiktionaler Handlung zeichnete schon die erwähnte Trilogie von Gomes aus. Und strukturell gestaltet sich sein neues Werk ganz ähnlich. Neben der Montage von Spielszenen und Impressionen (mit wenigen Ausnahmen in Schwarzweiß) der bereisten Länder Asiens führen unterschiedliche Erzähler*innen aus dem Off durch den Film, immer jeweils in der dortigen Landessprache. Die nacheinander erzählte Reise der beiden zentralen Figuren funktioniert daher als ein unspektakuläres Abenteuer, in welchem zwei Zeitebenen – nämlich die Kolonialzeit des Jahres 1917 und unsere Gegenwart hundert Jahre später –  gekonnt montiert werden. Dabei treten die Hauptcharaktere Edward und Molly bisweilen etwas in den Hintergrund. Gespielt werden sie von Gonçalo Waddington und Crista Alfaiate, zwei Darsteller*innen, die schon mehrere Rollen bei Gomes’ 1001 Nacht mit Leben gefüllt hatten.   
     
Inhaltlich gestaltet sich dieses kuriose Roadmovie nur bedingt spannend und in gewisser Weise auch recht sperrig. Wer eine spannende Abenteuergeschichte oder eine dramatische Love Story erwartet, sollte sich die Sichtung von Grand Tour sparen. Denn genauso wichtig wie die titelgebende physische Reise durch weite Teile eines gigantischen Kontinents behandeln Gomes sowie seine drei Co-Autor*innen Temo Churro, Maureen Fazendeiro und Mariana Ricardo auch einen inneren Trip, geprägt von Melancholie, Lebensweisheiten und teils absurdem Humor.    

Grand Tour von Miguel Gomes ist seit dem 18. April 2025 Teil des Angebots von MUBI, im Original mit deutschen Untertiteln.

Fazit: Etwas sperrige, meditative, teils absurd komische Asien-Odyssee zwischen Vergangenheit im Jahr 1917 und unserer Gegenwart. 7 von 10 Punkten.




Marius Joa, 30. November 2025. Bilder: MUBI/Uma Pedra no Sapata.


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