The Crown: Staffel 4

The Crown, Peter Morgans aufwändige Netflix-Serie über die Regierungsjahre der britischen Königin Elisabeth II., nähert sich allmählich der Gegenwart an. In Staffel 4 stehen vor allem Margaret Thatcher (Gillian Anderson) und Diana Spencer (Emma Corrin) im Mittelpunkt der Handlung.


The Crown: Staffel 4 (The Crown: Season 4)
Historienserie UK, USA 2020. 10 Folgen. Gesamtlänge: ca. 545 Minuten.
Mit: Olivia Colman, Tobias Menzies, Helena Bonham Carter, Josh O’Connor, Emma Corrin, Gillian Anderson, Marion Bailey, Erin Doherty, Emerald Fennell, Stephen Boxer u.a. Idee: Peter Morgan.

 

Die eiserne Lady und das unglückliche Paar

1979. Mit Margaret Thatcher (Gillian Anderson) wird erstmals eine Frau zum Premierminister des Vereinigten Königreichs gewählt. Einige Monate später fällt Lord Mountbatten (Charles Dance) gemeinsam mit drei weiteren Personen einem Bombenattentat der IRA zum Opfer. Thronfolger Prinz Charles (Josh O’Connor) lernt die junge Diana Spencer (Emma Corrin) kennen. Doch das Glück nach der “Märchenhochzeit” 1981 hält nicht lange an. Immer wieder kommt es zu Differenzen zwischen den Eheleuten, auch weil Diana ihren eigenen Kopf hat und sich mit der strengen Etikette schwer tut, durch ihre unkomplizierte und freundliche Art die Menschen allerdings zu begeistern vermag. Königin Elisabeth (Olivia Colman) sieht unterdessen mit Sorge, dass der harte Kurs der konservativen Thatcher-Regierung das Land zu spalten droht…

Fast genau ein Jahr nach der dritten erschien die vierte Staffel von The Crown, erneut mit Olivia Colman als Elisabeth II., Tobias Menzies als Prinzgemahl Philip (der am 9. April 2021 im stolzen Alter von 99 Jahren verstarb), Marion Bailey als Königinmutter, Josh O’Connor als Kronprinz Charles, Erin Doherty als seine Schwester Anne und Helena Bonham Carter als Elisabeths Schwester Margaret sowie Emerald Fennell als Charles große Liebe Camilla Parker-Bowles. Im Vorfeld der Veröffentlichung richtet sich der Fokus freilich auf die Besetzung zweier für Großbritannien überaus prägender, gleichermaßen völlig unterschiedlicher Frauen. Auf der einen Seite Gillian Anderson (Akte X, The Fall – Tod in Belfast, Sex Education), die im Film Der Stern von Indien (2017) noch die Gattin von Lord Mountbatten verkörpert hatte, als eiserne Premierministerin Margaret Thatcher, auf der anderen Emma Corrin (Pennyworth) in der Rolle der weltweit geliebten Lady, später Prinzessin Diana. Beide machen einen absolut grandiosen Job. Anderson sieht zwar überhaupt nicht wie die reale Thatcher aus, kopiert deren Sprachduktus und Manierismen allerdings perfekt, wobei man sich darüber streiten kann ob die amerikanisch-britische Schauspielerin hier nicht hart an der Grenze zur überzeichneten Karikatur agiert. Die noch eher unbekannte Emma Corrin gleicht dagegen der echten Lady Diana in vielerlei Hinsicht aufs Haar und überzeugt als angehende Prinzessin, welche sich an den starren Regeln bei Hofe abarbeitet, aufgrund des zunehmenden Stresses der Erwartungshaltung und Aufmerksamkeit eine Esstörung entwickelt. Diese wird, Triggerwarnung zu Beginn der betreffenden Episoden inklusive, auch gezeigt. Mit Ausnahme von Olivia Colman als Königin und Josh O’Connor als Thronfolger spielen die anderen Hauptfiguren über weite Strecken nur die zweite Geige, vor allem Prinz Philip (Tobias Menzies) und Prinzessin Margaret (Helena Bonham Carter), wobei letztgenannte immerhin bei einer Folge im Zentrum der Handlung steht. Marion Bailey hatte als “Queen Mum” schon im Vorjahr kaum mehr als eine bessere Komparsenrolle, was sich leider nicht geändert hat.

Serienschöpfer Peter Morgan, der in Season vier neun von zehn Skripts alleine verfasste, nimmt die Thatcher-Regierungsjahre als erzählerischen Rahmen und verarbeitet wichtige Eckpunkte aus dieser Zeit wie den Mordanschlag auf Lord Mountbatten, das Kennenlernen und die ersten Ehejahre von Charles und Diana, den Falklandkrieg, den Einbruch von Michael Fagan im Buckingham Palast und die Auswirkungen des harten Thatcher-Kurses. Auch wenn die Show durch zum Teil in sich abgeschlossenen Episodenhandlungen quasi Anthologie-Charakter hat, so muss man sich immer wieder vor Augen halten, dass The Crown eine fiktionale und keine dokumentarische Aufarbeitung der Geschichte der britischen Royals darstellt. Morgan nimmt sich hier und da einige, oft sehr umstrittene Freiheiten. So kommt etwa Prinz Charles als egoistischer Zeitgenosse, der für die Persönlichkeit seiner Ehefrau keinerlei Verständnis zu haben scheint und das Verhältnis zu Camilla Parker Bowles weiterhin aufrecht erhält (obwohl beide verheiratet sind), insgesamt nicht gut weg. Trotz “dramaturgischen Eigenheiten” taugt die Serie immer noch bestens dazu, dem Zuschauer die Welt der britischen Krone mit all ihren Regularien und komplexen Details näher zu bringen. Das Murren über das mittlerweile durchwachsene Angebot von Netflix mag berechtigt sein, The Crown bleibt aber eine der wenigen wirklich hochwertigen Eigenproduktionen des Streamingdienstes.

Mit dem Schlusspunkt der vierten Season endet auch die Ägide des Ensembles um Colman, Menzies und Bonham Carter. Denn alle zwei Jahre werden die Hauptdarsteller ausgewechselt, um dem Alterungsprozess ihrer realen Vorbilder gerecht zu werden. Die Dreharbeiten für Staffel 5 sollen im Juli 2021 beginnen. Die Rolle von Königin Elisabeth übernimmt Imelda Staunton (Harry Potter und der Orden des Phönix, Vera Drake). An ihrer Seite wurden Jonathan Pryce (Fluch der Karibik, Game of Thrones) als Prinz Philip und Lesley Manville (Phantom Thread – Der seidene Faden) als Prinzessin Margaret gecastet. Elizabeth Debicki (Tenet) und Dominic West (The Affair) übernehmen die Parts von Diana und Charles. Nachdem es zwischenzeitlich hieß, dass die Serie nach fünf Seasons enden würde so besann man sich zurück auf den ursprünglichen Plan von sechs Staffeln. Staffel 5 wird 2022 erscheinen, die sechste und letzte Runde voraussichtlich 2023.

Die vierte Staffel von The Crown ist seit dem 15. November 2020 bei Netflix abrufbar. Eine DVD- und BluRay-Auswertung steht noch aus.

Fazit: Auch in der vierten Staffel weiterhin überaus aufwändige, detailreiche und schauspielerisch herausragende Historienserie, in deren Zentrum mit Gillian Anderson als Margaret Thatcher und Emma Corrin als Diana Spencer zwei unterschiedliche Frauen stehen. 9 von 10 Punkten.

 

Gillian Anderson als Margaret Thatcher
 

Charles und Diana
 

Die Braut
 

Familienfoto

 

Marius Joa, 31. Mai 2021. Bilder: Netflix.

 


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