X-Men: Dark Phoenix

Mit Dark Phoenix, dem vorerst letzten Film der X-Men-Reihe gibt der bisher als Drehbuchautor und Produzent agierende Simon Kinberg sein Regiedebüt und adaptiert dabei eine Comic-Story, die bereits mehrmals zuvor umgesetzt wurde.

X-Men: Dark Phoenix (Dark Phoenix)
Comic-Verfilmung USA 2019. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 114 Minuten. Kinostart: 6. Juni 2019.
Mit: Sophie Turner, James McAvoy, Nicholas Hoult, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Tye Sheridan, Alexandra Shipp, Evan Peters, Kodi Smit-McPhee, Jessica Chastain u.v.a. Drehbuch und Regie: Simon Kinberg. Nach Charakteren von Stan Lee und Jack Kirby sowie dem Comic von Chris Claremont und John Byrne.

 

X-Men: The Last Movie

1992. Die X-Men werden dank ihrer Heldentaten von der Gesellschaft geschätzt und von vielen Mitbürgern verehrt. Professor Charles Xavier (James McAvoy), mächtiger Leiter der Mutantenschule und Anführer des Teams, hat sogar eine direkte Telefonleitung zum US-Präsidenten. Nach einem Notruf des Spaceshuttles Endeavor fliegt das Mutantenteam ins All und rettet die gestrandeten Astronauten. Dabei kommt Jean Grey (Sophie Turner) mit einer Art kosmischer Energie in Kontakt, welche die junge Telepathin nachhaltig verändert. Jean wird mächtiger, doch kann sie ihre zerstörerischen telekinetischen Kräfte bald nicht mehr kontrollieren und verlässt Xaviers Schule, um ihren Partner Scott Summers alias Cyclops (Tye Sheridan) sowie ihre weiteren Freunde nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Charles, Hank McCoy/Beast (Nicholas Hoult), Raven/Mystique (Jennifer Lawrence), Scott, Kurt/Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee), Storm (Alexandra Shipp) und Peter/Quicksilver (Evan Peters) nehmen die Verfolgung auf. Auf Genosha, einem Inselrefugium für Mutanten, sucht Jean bei Erik/Magneto (Michael Fassbender) Zuflucht. Unterdessen wrid die Erde von einer gestaltwandelnden Alienrasse infiltriert, deren Anführerin (Jessica Chastain) Jean ebenfalls auf der Spur ist…

 Raven will Jean helfen

Nicht nur die erste Heldengarde des Marvel Cinematic Universe gaben dieses Jahr ihre Abschiedsvorstellung (Avengers: Endgame), sondern auch die bisher unter eigener Kinoflagge streitenden X-Men erleben ihren letzten Auftritt. Denn nachdem Disney nach Marvel auch 20th Century Fox aufgekauft hat, gehören die Mutanten künftig auch zum neuen MCU. Ob das sinnvoll ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. X-Men: Dark Phoenix schickt die seit X-Men: Erste Entscheidung agierende Reboot-Garde um James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence und Nicholas Hoult in ihre finale Schlacht. Im Mittelpunkt steht dieses Mal allerdings Sophie Turner als Jean Grey, die mit unvollstehbarer Macht konfrontiert wird.

Die Comic-Storyline The Dark Phoenix Saga (1976-1977) von Autor Chris Claremont und Zeichner John Byrne (von ihnen stammt auch Zukunft ist Vergangenheit von 1981, die Vorlage zum gleichnamigen Film) wurde bereits mehrfach adaptiert, zuerst in der dritten Staffel der Zeichentrickshow X-Men (1992-1997), später aber auch in den weiteren Cartoon-Serien X-Men: Evolution (2000-2003) und Wolverine and the X-Men (2009). In X-Men: Der letzte Widerstand (2006), dem Finale der Original-Trilogie, wurde die Veränderung Jean Greys zum Phoenix ebenfalls verwendet, allerdings eher stiefmütterlich mit anderen Storyelementen vermischt. X-Men: Apocalypse (2016) teaserte das Phoenix-Potenzials bereits in einer Szene an. Im insgesamt 12. X-Men-Streifen und vierten mit der “jüngeren” Truppe erhielt Simon Kinberg (Produzent sowie Co-Autor von Der letzte Widerstand und Apocalypse) die Gelegenheit, als Drehbuchschreiber und Regisseur der Comic-Vorlage nun mehr Raum zu geben, was teilweise gelang.

Die Kritiken fallen allerdings überwiegend verhalten aus. Nur 22 Prozent positive Kritiken mit einer Durchschnittswertung von 4,58 von 10 Punkten bei Rottentomatoes sowie ebenfalls gemischte Bewertungen bei Metacritic (Score 43/100). Filmstarts.de bezeichnet “Dark Phoenix” als “maues Mutantenfinale” und spricht Hauptdarstellerin Sophie Turner die Fähigkeit ab, den Blockbuster alleine zu tragen. Das österreiche Filmmagazin Pressplay sah die Charaktere “erschöpft bis lustlos”. Mit entsprechend eher geringen Erwartungen löste ich daher mein Kinoticket und wurde sogar überrascht. X-Men: Dark Phoenix entpuppt sich aus meiner Sicht keineswegs als halber Reinfall, sondern liefert trotz seiner Schwächen einen soliden Abschied für Professor X, Magneto und Co.

Natürlich hätte man hier manches besser machen können wenn nicht müssen. Zwar verkörpert Jessica Chastain die namenlose Alienanführerin mit klinischer Kälte, doch der gesamte Handlungsstrang mit den außerirdischen Invasoren wird völlig uninspiriert heruntergespult. Das inhaltliche Potenzial des Comics wurde diesbezüglich gnadenlos verschenkt. Neben der Tatsache, dass die zentralen Figuren wie Professor Xavier, Magneto und Beast in den 30 Jahren seit Erste Entscheidung, der Anfang der 1960er spielt, äußerlich nicht gealtert sind, fehlt es bei der Umsetzung an letzter Konsequenz, vor allem hinsichtlich der Düsternis und den Folgen der zerstörerischen Kraft des Phoenix. Und Hans Zimmer möge für seinen überwiegend lustlos-lärmenden Score bitte endlich seine wohlverdiente Goldene Himbeere erhalten!

Kinberg macht allerdings nicht den Fehler, seine erste Regige-Arbeit mit Actionszenen zu überfrachten, stattdessen kommt die geradlinige Inszenierung ohne Umschweife zum Punkt. “Dark Phoenix” überzeugt vor allem wenn die schlummernden Konflikte zu Tage treten, welche das Mutanten-Team entzweien könnten und sich vor allem Charles Xavier eingestehen muss, dass er bei seinem früheren Schützling Jean einen massiven Fehler begangen hat, der nun verheerende Folgen nach sich zieht. Dass die Popularität der X-Men in schlechten Zeit auch wieder schnell in Hass und Verachtung bzw. Verfolgung umschlägt unterstreicht die ambivalente Stimmung. Obwohl hier wenig Zeit für emotionale Verarbeitung bleibt so sorgen die Schauspieler, allen voran Michael Fassbender und Nicholas Hoult, dafür, dass man als Zuschauer mitfiebert. Sicherlich dürfte ihre Performance nicht unbedingt oscarwürdig ausgefallen sein, doch Sophie Turner (Game of Thrones) macht in der zentralen Rolle einen mehr als ordentlichen Job und bleibt inmitten des ganzen Effektgewitters durchgehend präsent.

Vielleicht lliegt meine recht positive Wahrnehmung des Films an der Freude darüber, dass es für das finale Mutanten-Abenteuer nach diversen Verschiebungen (von November 2018 über Februar 2019 in den Juni 2019) doch noch zum Kinostart gereicht hat. Der als eigenständiger Horrorfilm konzipierte New Mutants von Regisseur Josh Boone, der ursprünglich mal für April 2018, dann für Februar bzw. August 2019 geplant war, wurde kürzlich auf April 2020 (!) verschoben. Hoffentlich bleibt es ein böses Gerücht, dass dieses Werk bei einem Streaminganbieter landet. Die X-Men werden künftig in das Marvel Cinematic Universe integriert, wo ein paar “Planstellen” freigeworden sind. Meine unbändige Vorfreude richtet sich allerdings auf die in ein paar Wochen startende dritte (und leider letzte) Staffel der Serie Legion, die glücklicherweise fernab von allerlei Blockbuster-Gedöns existiert.

 

Fazit: X-Men: Dark Phoenix erreicht zwar nicht die Qualität der Highlights in der Filmreihe, gefällt jedoch als geradliniger Comic-Blockbuster, der die inneren Konflikte unter den Mutanten an die Oberfläche bringt. 7 von 10 Punkten.

Jean und die Alienanführerin
Düstere Zeiten für die X-Men

 

Marius Joa, 9. Juni 2019. Bilder: Fox/Marvel.

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