In ihrem Debüt erzählt Regisseurin Laura Donoso von zwei Mädchen, welche ihrer von patriarchalischer Unterdrückung geprägten Heimat in der Wüste zu entkommen versuchen. Der chilenische Film war Teil des Programms vom 51. Internationalen Filmwochenende in Würzburg.
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Sariri
Jugend-Drama Chile 2024. 77 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Mit: Martina González, Catalina Ríos, Paola Lattus u.a. Drehbuch: Laura Donoso, Sofia Pavesi, Carolina Merino, Javi de Miguel. Regie: Laura Donoso.

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Von Aberglaube, Misogynie und Hoffnung
In La Lágrima, einer fast verlassenen Bergbaustadt mitten in der Wüste. Hier sind die Frauen und Mädchen strengen von Patriarchat und Aberglauben geprägten Regeln unterworfen. Bei Unglücksfällen in der Goldmine suchen die Männer die Schuld immer bei den Frauen, welche sich deswegen von der Mine fernhalten müssen. Die 16jährige Dina (Catalina Ríos) ist ungewollt schwanger und möchte La Lágrima verlassen. Die Teilnahme an einem Talentwettbewerb soll für den Ausweg sorgen. Als Dina erfährt, dass bei ihrer kleinen Schwester Sariri (Martina González) erstmals die Regelblutung eingesetzt hat, und das Mädchen bald wegen ihrer „Unreinheit“ in die üste geschicht werden soll, steht die 16jährige vor der schweren Entscheidung, ihre Schwester mitzunehmen oder nicht…
Laura Donoso wurde 1998 in Santiago de Chile geboren. Nach ihrem Schulabschluss studierte sie für ein Jahr in Costa Rica und kehrte für die Weiterführung ihres Filmstudiums nach Chile zurück. Nach dem Kurzfilm La Mamita (2020) hat die junge Filmemacherin mit Sariri ihr eindruckvolles Langfilmdebüt geschaffen. Der Spielfilm ist allerdings nicht mit einem halbstündigen Werk aus Österreich über Freeride-Wintersportler in den Anden zu verwechseln.

Die in Zusammenarbeit mit der chilenischen Privat-Universität Universidad del Desarollo entstandene Produktion ist keine Dokumentation oder eine dokumentarische Aufarbeitung konkreter Misstände in Bergbau-Siedlungen. Vielmehr nutzen Donoso sowie ihre Co-Autor*innen Sofia Pavesi, Carolina Merino und Javi de Miguel das Setting in der lebensfeindlichen Wüste als Musterbeispiel für zivlisationsferne, von Aberglauben und Misogynie geprägte, restriktive Gesellschaften. Denn in einem Dorf, wo sich kaum jemand vorstellen kann, es zu verlassen, finden absurde Gesetze einen perfekten Nährboden. Geprägt von einer Mischung lokaler Legenden und christlicher Indoktrinierung glauben die Bewohner von La Lágrima, dass Frauen wegen ihrer Unreinheit die Schuld an allen Problemen haben. Deswegen müssen junge Mädchen die Zeit ihrer ersten Periode allein in der Wüste verbringen, den lebensfeindlichen Bedingungen wie Wind und wilden Tieren ausgesetzt. Dieses Schicksal droht auch der elfjährigen Titelheldin.
Trotz aller himmelsschreiender Ungerechtigkeit vermeiden Laura Donoso und ihr Team eine naheliegende Schwarzweiß-Malerei. Mögliche gewalttätige Handlungen der Männer werden nicht gezeigt. Generell bleiben die Männer mit wenigen Ausnahmen ziemlich im Hintergrund. Die beiden im Mittelpunkt der Geschichte stehenden Schwestern und die Frauen allgemein unterstützen sich gegenseitig. Das Skript arbeitet mit einigen Auslassungen. Inhaltlich funktioniert Sariri mit seiner Konzentration auf das Wesentliche und dank der kurzen Laufzeit allerdings sehr gut.
Das authentische Ensemble um die beiden Nachwuchs-Darstellerinnen Martina González und Catalina Ríos lassen die Geschichte sehr dokumentarisch wirken. Kameramann Raimundo Naretto findet mit der Mischung aus beengten Innenaufnahmen und weiten Wüstenpanoramen die passende Bildsprache. Musikalisch untermalt wird das Geschehen von einem düster-stimmungsvollen Streicher-Score von Milton Nuñez.
Fazit: Gekonnt auf das Wesentliche reduziertes Drama aus Chile über zwei Mädchen und ihren leisen Kampf um Selbstbestimmung in einem restriktiven Wüstenort. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 3. Februar 2025. Bilder: Cine UDD.
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