Die Geschäftsführerin eines erfolgreichen Unternehmens (Nicole Kidman) beginnt eine verhängnisvolle Affäre mit einem jungen Praktikanten (Harris Dickinson), in Babygirl, dem neuen Film von Halina Reijn (Bodies Bodies Bodies).
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Babygirl
Drama Niederlande, USA 2024. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 116 Minuten. Kinostart: 30. Januar 2025.
Mit: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas, Sophie Wilde, Esther McGregor, Vaughan Reilly u.a. Drehbuch und Regie: Halina Reijn.

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Von Sehnsucht und Unterwerfung
Romy Mathis (Nicole Kidman), CEO eines großen Unternehmens, das sich auf Robotik-Lösung für Warenlager spezialisiert hat, ist beruflich überaus erfolgreich und seit zwanzig Jahren mit dem Theaterregisseur Jacob (Antonio Banderas) verheiratet, mit welchem sie die beiden Teenager-Töchter Isabel (Esther McGregor) und Nora (Vaughan Reilly) hat. Nur Romys Sexualleben bleibt unerfüllt. Bis sie in ihrer Firma auf den viel jüngeren Praktikanten Samuel (Harris Dickinson) trifft. Denn der junge Mann tritt ihr gegenüber unangebrachterweise sehr dominant auf. Ein Umstand, der Romy irritiert und fasziniert zugleich. Nach einigem Zögern lässt sie sich auf eine Affäre mit Samuel ein, die ihr fast perfektes Leben zu gefährden droht…
Halina Reijn (geboren 1975) begann ihre Schauspielkarriere vor gut dreißíg Jahren. Mit Instinct (2019), über die Beziehung einer Gefängnis-Psychologin (gespielt von Reijns bester Freundin Carice von Houten) zu einem verurteilten Sexualstraftäter, gab die Niederländerin ihr Debüt als Regisseurin. Daraufhin folgte der überzeichnete Gen Z-Slasher Bodies Bodies Bodies (2022), den die 49jährige auf Englisch drehte und daher mehr internationale Aufmerksamkeit erhielt. Babygirl, Halina Reijns dritter Spielfilm als Regisseurin, feierte bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 2024 seine Premiere, wobei Nicole Kidman als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde.

Ein Film über eine Beziehung mit großem Altersunterschied und hoher Diskrepanz bezüglich der hierarchischen Position der beteiligten Figuren, gab es durchaus schon öfter. Aber eher selten übernimmt die Frau dabei den Part der älteren und ranghöheren Hälfte. Gängige Konstellationen werden hier auch dadurch etwas auf den Kopf gestellt, dass Protagonistin Romy zwar eine Führungsposition innehält, sich allerdings gerne vom ca. 25 Jahre jüngeren Praktikanten Samuel sagen lässt, was sie tun soll.
Bevor die beiden sich allerdings wirklich in die gemeinsame Affäre stürzen, müssen erst einmal die Parameter der Beziehung ausgelotet werden. Dabei gibt es auch immer wieder Momente absurden Humors, weil sowohl Romy als auch Samuel anfangs mit der für beide neuen Situation überfordert sind. Dieser Aspekt macht die Geschichte besonders menschlich und erwachsen. Zudem gestalten sich die Charaktere keinesfalls eindimensionsional. Zwar gibt der Praktikant seiner Chefin mehrmals zu verstehen, dass er mit einem Anruf ihre Karriere zerstören könnte, doch ein sadistischer Soziopath wie etwa Oliver aus Saltburn (2023), der sich in eine Upper-Class-Familie einschleicht, ist er nicht. Vielmehr scheint auch Samuel für seine Rolle als dominanter Part in der Beziehung mit Romy noch in der Findungsphase.
Regisseurin Halina Reijn, die auch das Drehbuch schrieb, und ihr Team um Kameramann Jasper Wolf (Monos [2019], Bodies Bodies Bodies) setzen das Geschehen überaus geschmackvoll und souverän um, ohne plumpe SM-Elemente oder überzogene Sexszenen. Die Spiegelungen in den „gläsernen“ Büros von Romys Firma und den Hochhäuserfassaden sorgen für einen bisweilen surrealen Look. Cristobal Tapia de Veer hat einen überaus passenden Score komponiert, der einerseits aus einem fast klassischen Walzer mit Sopranistin besteht, vor allem aber durch stöhnend/atmend-vokalisierenden Gesang besticht, wie ihn der Komponist auch bei der Anthologie-Serie The White Lotus genial auf die Spitze getrieben hat.
Insgesamt hätte ich mir allerdings gewünscht, die Hintergründe der beiden Figuren wären mehr ausgearbeitet worden. Romys unerfülltes Sexualleben als Ursache für ihre gefährliche Beziehung zu Samuel erscheint logisch. Doch erzählerisch bleibt hier aus meiner Sicht Potenzial liegen. Vor allem bleibt Samuels Charakter recht undurchsichtig und ein wenig mehr über ihn zu erfahren, hätte sicherlich nicht geschadet.
Mit Nicole Kidman (in den letzten Jahren öfter in Serien wie Nine Perfect Strangers und Special Ops: Lioness zu sehen) als zwischen erfolgreichem Familien- und Berufsleben sowie verhängnisvoller Affäre pendelnden Romy, Harris Dickinson (Triangle of Sadness) als jugendlich-dominantem Samuel und Antonio Banderas (Leid und Herrlichkeit) als Romys einfühlsamen Ehemann Jacob hat Halina Reijn drei starke aufspielende Akteure zur Verfügung, welche der Story vor allem Glaubwürdigkeit verleihen.
Fazit: Stark gespieltes und angenehm unreißerisch inszeniertes Drama über unerfüllte Sehnsucht und eine risikoreiche Affäre, das inhaltlich am Ende etwas unausgegoren bleibt. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 16. Februar 2025. Bilder: Constantin Film.
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