In ihrem Langfilmdebüt Twice Colonized porträtiert die dänische Filmemacherin Lin Alluna die Aktivistin und Anwältin Aaju Peter, welche um ihre eigene Identität als Angehörige der Inuit und für die Rechte indigener Völker kämpft. Die Dokumentation wurde auf dem Internationalen Filmwochenende 2025 in Würzburg gezeigt.
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Twice Colonized
Dokumentation Dänemark, Grönland, Kanada 2023. 92 Minuten. Kinostart: unbekannt.
Buch: Aaju Peter und Lin Alluna. Regie: Lin Alluna.

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Kämpferin zwischen den Welten
Als Elfjährige wurde Aaju Peter (geboren 1960 in Arkisserniaq, Grönland) wie viele andere Inuit-Kinder zur „Umerziehung“ nach Dänemark geschickt. Dabei verlor sie nicht nur ihre Muttersprache, sondern auch ihre eigene kulturelle Identität. Die mehrfache Mutter und Großmutter setzt sich als Anwältin und Aktivistin für die Rechte der Inuit und Angehörigen anderer indigener Völker, welche durch Kolonialisierung ihrer Kultur und Sprache beraubt wurden, ein. Über einen Zeitraum von sieben Jahren begleitete Lin Alluna die „zweifach kolonialisierte“ Frau mit der Kamera und hat daraus einen intensiven Dokumentarfilm geschaffen.
Twice Colonized zeigt zwar auch die Arbeit von Aaju Peter bei politischen Versammlungen, Gesprächen und internationalen Tagungen, der Schwerpunkt liegt eher auf der persönlichen Ebene. Wir als Zuschauer*innen begleiten die auch als Designerin von Kleidung aus Robbenfell tätige Aaju in ihrem persönlichen Kampf gegen ihre eigene Vergangenheit. Der Titel bezieht sich darauf, dass sie zweimal „kolonialisiert“ wurde, erst als Mädchen in Dänemark und als junge Frau nach ihrer Heirat mit einem Kanadier. Gleiches wiederfuhr den Inuit, die sowohl in Grönland als auch in den nördlichen Regionen Kanadas leben.

Aaju verbringt Zeit mit ihren Enkelkindern, näht, schläft, leidet unter Liebeskummer, nachdem sie sich von ihrem Lebensgefährten getrennt hat, weil sie dieser nicht gut behandelt hat, und tanzt zu lauter Rockmusik. Ganz offen spricht sie von ihrer Wut gegen die Unterdrückung ihrer kulturellen Identität und die Gründe für ihr Handeln. Auch der Trauer um ihren Sohn, der Selbstmord begangen hat, wird Raum gegeben. Generell gibt es bei den Inuit einer der höchsten Suizidraten weltweit. Als Mahnmal ist im Film mehrmals das Bild eines Friedhofs vor beeindruckender Naturkulisse zu sehen. Das Einfangen der persönlichen Höhen und Tiefen in ihrem Leben und Wirken geschah ausdrücklich auf Wunsch der Porträtierten. Immer wenn die Protagonistin sich aus einem Tief herauskämpft hat und ihre Arbeit wiederaufnimmt wird dies von traditionellen Trommeln und Obertongesang untermalt.
In ihrer Arbeit setzt sich Aaju Peter auch für andere indigene Völker ein, welche ebenfalls schlimme Erfahrungen mit „Umerziehung“ gemacht haben. So spricht sie z.B. mit Angehörigen der Samen, welche erzählen, wie ihnen von Schweden die eigene Existenz abgesprochen wurde. Vor allem setzt sich Aaju für die Einrichtung eines Forums für indigene Völker bei der Europäischen Union ein. Ein zentrales Spannungsfeld ist die Forderung von Tierschutz-Aktivist*innen nach einem Verbot der Robbenjagd, welche allerdings die Lebensgrundlage der Inuit bildet.
Dieser gleichzeitig ruhig-meditative und energetische Film über eine besondere Frau und ihr Wirken feierte seine Welturaufführung im Januar 2023 auf dem Sundance Film Festival, wo er für den Dokumentarfilmpreis nominiert war. Twice Colonized lief auf weiteren zahlreichen Filmfestivals und wurde dort teils mit Preisen bedacht. Aaju Peter erhielt 2012 die „Order of Canada“, die höchste Auszeichnung des Landes für Zivilpersonen.
Fazit: Intimes, intensives Porträt über Aaju Peter, einer starken und nahbaren Kämpferin für die Rechte indigener Menschen. 8 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 2. Februar 2025. Bilder: Autlook Filmsales GmbH.
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