Mars Express

Im Jahr 2200 reist die Privatdetektivin Aline Ruby mit ihrem Partner Carlos Rivera zum Mars, wo sie den Fall einer vermissten Studentin übernimmt, im animiertern Scifi-Thriller Mars Express von Jérémie Périn, der auf dem Fantasy Filmfest 2023 läuft.   

Mars Express
Science-Fiction/Animationsfilm Frankreich 2023. 88 Minuten.
Originalsprecher: Léa Drucker (Aline Ruby), Daniel Njo Lobé (Carlos Rivera), Mathieu Amalric (Chris Royjacker), Marie Bouvet (Roberta Williams), Sébastien Chassagne (Inspector Gordaux), Marthe Keller (Beryl), Geneviève Doang (Jun Chow), Thomas Roditi (Lem) u.a. Drehbuch: Jérémie Périn und Laurent Sarfati. Regie: Jérémie Périn.



Blade Runner auf dem Mars

Im Jahr 2200 hat die Menschheit nicht nur den Mars bewohnbar, sondern auch massive Fortschritte im Bereich der Robotik gemacht. Das Bewusstsein verstorbener Menschen kann nach ihrem Tod in einen Roboterkörper übertragen werden. So geschehen bei Carlos Rivera (Originalstimme: Daniel Njo Lobé), dem Partner von Privatdetektivin Aline Ruby (Léa Drucker), der vor fünf Jahren bei einem Roboter-Aufstand ums Leben gekommen war. Aline und Carlos reisen für ihren neuen Fall auf den roten Planeten. Dort ist die junge Kybernetik-Studentin Jun Chow (Geneviève Doang) spurlos verschwunden. Hängt ihr Verschwinden damit zusammen, dass sich immer mehr Androiden gegen ihre Programmierung wenden? Das Detektiv-Duo muss bald feststellen, dass nicht nur sie, sondern auch eine Gruppe gnadenloser Söldner hinter Jun her sind. Die Spur führt zum mächtigen Konzernbesitzer Chris Royjacker (Mathieu Amalric)…  

Nachdem ich Nocebo bei den Fantasy Filmfest White Nights im Februar sowie bei den Fantasy Filmfest Nights im April gleich drei Filme, Irati, Smoking Causes Coughing und Pearl, gesehen hatte, sollte natürlich auch das FFF-Hauptevent 2023 besucht werden. Trotz widriger Umstände (lange Zugfahrt und teils unmögliche Spielzeiten) konnte ich im Frankfurter Harmonie Kino zwei neue Streifen aus dem weiten Feld der Phantastik mitnehmen. Als erstes stand der französische Animationsfilm Mars Express von Regisseur Jérémie Périn auf dem Programm, der seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Cannes 2023 gefeiert hatte und zudem auf dem Internationalen Animationsfilm-Festival in Annecy gezeigt worden war.

Carlos und Aline

Périn und sein Co-Autor Laurent Sarfati (beide adaptierten die Comic-Reihe Lastman zu einer Animationsserie) entwerfen eine interessante Zukunft des Jahres 2200, irgendwo zwischen Blade Runner (1982), Robocop (1987), Terminator, Ghost in the Shell (1995) und 2001: Odyssee im Weltraum. Was die Ästhetik der Animationen angeht, so fühlte ich mich zudem auch an die Anthologie Animatrix (2003) erinnert. Mit einem moderaten Budget von 6,7 Millionen Euro wurde eine farbenfrohe und doch düstere Vision geschaffen, welche dem aktuell präsenten Thema der Künstlichen Intelligenz einen etwas anderen Blickwinkel abgewinnt.

Obwohl Alines Partner ausgerechnet bei einem blutigen Aufstand von Robotern getötet wurde kann er dank der technischen Möglichkeiten in einem Roboter-Körper weiterleben und hat zudem einige körperliche Vorteile dazugewonnen. Der Weg zurück ins alte Leben wird ihm allerdings verbaut. Seine Ex-Ehefrau verbietet ihm den Kontakt zu seiner Tochter, deren Stiefvater ihn grundsätzlich nur mit geladener Waffe empfängt. Auch Aline hat trotz ihrer erfolgreichen Karriere als Privatdetektivin so ihre Probleme, vor allem mit Alkohol. Dieses Ermittler-Duo versucht herauszufinden, was es mit dem Verschwinden der Studentin Jun auf sich hat und stoßen dabei auf eine weitreichende Verschwörung.

In der Welt von Mars Express gibt es normale Menschen, Menschen deren Bewusstsein in Roboter-Körper übertragen wurde und künstlich geschaffene Roboter. Das allein sorgt schon für eine interessante Grundfrage: was genau ist Carlos, dessen Geist in einem Cyborg weiterlebt, nun? Ein Roboter, ein Mensch oder vielleicht beides? Noch dazu gibt es „Roboter“-Klone von echten Menschen, die deren Arbeit verrichten, was übrigens nicht legal ist. Das Thema der fließenden Grenzen zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz wird auf ein neues Level gehoben, ähnlich wie die verblassende Trennung zwischen Mensch und Replikant in Blade Runner.

Dennoch konnte mich die Story des Films weniger überzeugen. Zwar verschwendet man hier in der eher kurzen Laufzeit von knapp 90 Minuten wenig Zeit und als Zuschauer*in wird man bei der rasanten Handlung entsprechend mitgezogen, aber wirklich konsequent zu Ende gedacht wirkt der Plot nicht. Es mag auch an meinen nachlassenden Französischkenntnissen (der Film wurde im französischen Original mit englischen Untertiteln gezeigt. Meine letzte Französisch-Schulstunde war 1999.) liegen, doch warum die Geschichte genauso endet und was es mit der Verschwörung genau auf sich hat, erschloss sich mir nicht völlig.

Für Mars Express spricht auf jeden Fall sein potentialträchtiges Zukunftssetting und seine ansprechenden Animationen zwischen Anime- und französischem Ligne-Claire-Stil. Stark präsentiert sich auch der Voicecast um die beiden Hauptsprecher Léa Drucker (Nach dem Urteil, Close [2022]) als Aline und Daniel Njo Lobé (Marseille [Serie]) als Carlos. Außerdem konnten mit Mathieu Amalric (München, James Bond – Ein Quantum Trost) und der Schweizerin Marthe Keller (Der Marathon-Mann) zwei bekannte Namen verpflichtet werden. Mars Express wird im Rahmen des Fantasy Filmfests am 22. September 2023 in Hamburg, Köln, Nürnberg und Stuttgart in den teilnehmenden Kinos zu sehen sein. Demnächst erscheint der Film in Ultra HD auf BluRay.

Fazit: Rasanter, animierter Scifi-Thriller irgendwo zwischen Blade Runner und Ghost in the Shell, der inhaltlich allerdings weniger überzeugen kann. 7 von 10 Punkten.


Der Marx Express
Menschen und Roboter



Marius Joa, 17. September 2023. Bilder: Everybody on the Deck/Capelight.


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