Dune – Der Wüstenplanet (2000)

Nach David Lynchs Kinoverfilmung von Frank Herberts epischem Science-Fiction-Roman Dune – Der Wüstenplanet drehte John Harrison um die Jahrtausendwende eine dreiteilige, internationale TV-Miniserie, welche im April 2001 auch ihren Weg ins deutsche Fernsehen schaffte.


Der Wüstenplanet (Dune)
TV-Science-Fiction-Epos/Miniserie USA, Kanada, Tschechien, Deutschland, Italien 2000. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 3 Folgen. Gesamtlänge: ca. 292 Minuten. TV-Erstausstrahlung: 22. April 2001.
Mit: Alec Newman, Saskia Reeves, Ian McNeice, Uwe Ochsenknecht, Barbora Kodetová, Julie Cox, Matt Keeslar, Lázló Imre Kish, P.H. Moriarty, Giancarlo Giannini, William Hurt, Karel Dobrý, Zuzana Geislerová, Jakob Schwarz u.v.a. Nach dem Roman von Frank Herbert. Drehbuch und Regie: John Harrison.

 


“The Spice must flow.”

In ferner Zukunft, im Jahre 10191. Die Menschheit hat weite Teile des Alls besiedelt und lebt in einer feudalistisch organisierten Gesellschaft. An deren Spitze steht Padischah-Imperator Shaddam IV. (Giancarlo Giannini) und der sich den großen Adelshäusern zusammensetzende Landsraad. Höchstes Gut ist die Spice Melange, eine bewusstseinserweiterende Droge, welche vor allem für die von der Raumgilde kontrollierten Raumfahrt absolut unentbehrlich ist. Spice kommt jedoch nur auf einem einzigen Planeten vor: Arrakis, auch Dune genannt, einem öden, lebensfeindlichen Wüstenplaneten unter dessen endlosen Sandmeeren gigantische Sandwürmer leben. Nachdem zuletzt Haus Harkonnen unter dem krankhaft übergewichtigen Baron Wladimir Harkonnen (Ian McNeice) mit der Spice-Gewinnung betraut war übergibt der Imperator nun Herzog Leto (William Hurt), dem Herrscher des Hauses Atreides, diesen Auftrag. Leto, seine Konkubine, die vom Hexen-Orden der Bene Gesserit trainierte Jessica (Saskia Reeves), und deren Sohn Paul (Alec Newman) verlassen mit ihrem Hofe den Heimatplaneten Caladan und siedeln nach Arrakis über. Da die beiden Häuser Atreides und Harkonnen verfeindet sind, vermuten Leto und seine Getreuen eine Falle. Einige Wochen nach der Ankunft wird Leto von einem seiner eigenen Leute verraten und die Harkonnen sowie imperiale Truppen überrennen die Atreides. Paul und Jessica können in die Wüste fliehen, wo sie von den dortigen Bewohnern, den Fremen unter Stilgar (Uwe Ochsenknecht), aufgenommen. Pauls Fähigkeiten werden auf Arrakis verstärkt und so erkennt er seine Bestimmung. Unterdessen versucht Prinzessin Irulan (Julie Cox), Shaddams scharfsinnige Tochter, mehr über die Auslöschung von Haus Atreides herauszufinden…

David Lynchs Adaption von Frank Herberts Roman Dune – Der Wüstenplanet (dem ersten in einer Reihe von sechs Büchern über Arrakis, die wiederum nach dem Tod Herberts durch dessen Sohn Brian Herbert und Kevin J. Anderson mit weiteren Bänden fortgesetzt wurden) erwies sich in der etwa zwei Stunden und 15 Minuten langen Kinoversion (1984) als beeindruckendes, bizarres Weltraumepos für die große Leinwand, welches aber vor allem im letzten Drittel inhaltlich überhastet wirkt, weshalb auch einige wichtige Figuren und Storyelemente viel zu kurz kamen. Mit der 1988 im US-Fernsehen ausgestrahlten, dreistündigen TV-Fassung war Lynch nicht einverstanden und ließ seinen Namen aus den Credits entfernen. Immerhin konnte diese Version die erzählerischen Schwächen der Kinofassung ganz gut kompensieren. Auch wenn die epischen Dimensionen der Vorlage nach einer Umsetzung für die große Leinwand schreien so bot sich das Medium Miniserie als geeigneter an, um dem Stoff Herr zu werden. Ende der 1990er beauftragte der Syfy-Channel (damalige Schreibweise: SciFi) eine internationale Co-Produktion als TV-Dreiteiler. Für das Drehbuch und die Regie zeichnete John S. Harrison (Dinosaurer [2000], Geschichten aus der Schattenwelt) verantwortlich. Gedreht wurde fast ausschließlich in den Barrandov-Studios in der tschechischen Hauptstadt Prag. Schauspieler und Crew aus unterschiedlichen Ländern waren am Dreh beteiligt.

Nach meiner Wahrnehmung gibt es überwiegend zwei unterschiedliche Lager in Bezug auf die Dune-Verfilmungen. Das eine feiert Lynchs Version trotz dessen inhaltlicher Unzulänglichkeiten und verdammt die Miniserie als schlechte Billigproduktion (vermutlich weil diese nicht mit wesentlich teureren Blockbustern in Sachen CGI-Strahlkraft mithalten kann). Beim anderen Extrem wird der Dreiteiler wegen seiner größeren Werktreue dem Kinofilm von 1984 vorgezogen. Ich persönlich finde, dass beide Adaptionen ihre Vorzüge haben. Die Miniserie von Harrison punktet vor allem mit einer ausgewogen erzählten und überaus vorlagengetreuen Handlung. Neben wenigen minimalen Modifikationen wurde eine gravierende Änderung vorgenommen: Prinzessin Irulan, die Tochter des Imperators, fungiert nicht nur als Erzählerin und erscheint lediglich im Finale, ihre Rolle wurde sehr erweitert, was aber völlig Sinn ergibt, die Figur massiv aufwertet und vor allem auch für mehr Abwechslung in der Dramaturgie sorgt. Das Skript kann sich die Zeit nehmen, die es benötigt, um die epische Geschichte zu erzählen und den Charakteren genügend Raum zu geben. Teil 1 handelt von der Ankunft des Hauses Atreides auf Arrakis bis zum Verrat und der Flucht in die Wüste. Im mittleren Drittel lernen Paul und Jessica sukzessive die Lebensweise der Fremen kennen während die Harkonnen-Tyrannei auf Arrakis für Aufsehen sorgt. Im letzten Teil nimmt Paul/Muad’dib schließlich die prophezeite Rolle des Erlösers an und zieht in den finalen Kampf mit seinen Feinden.

Die visuellen Effekte mögen bei der US-Premiere im Dezember 2000 oder der deutschen TV-Erstausstrahlung im April 2001 auf Pro Sieben noch beeindruckend oder wenigstens guter Standard gewesen sein. Nach 21 Jahren wirken diese trotz (oder wegen) der HD-Aufbereitung für die BluRay-Fassung leider nicht mehr zeitgemäß, vor allem in den Szenen mit den riesigen Sandwürmern. Weil sich mögliche Dreharbeiten in realen Wüstenregionen aufgrund der unberechenbaren äußeren Bedingungen als problematisch erwiesen entschied sich das Produktionsteam diese Sequenzen komplett im Studio aufzunehmen. Die italienische Kameramann-Legende Vittorio Storaro (für Apocalypse Now, Reds und Der letzte Kaiser jeweils mit einem Oscar ausgezeichnet) verwendete dafür sogenannte Translights, großformatige Fotoleinwände mit Wüstenmotiven, mit welchen die Wände der sandgefüllten Soundstages beklebt wurden. Damals sicherlich eine effektive Methode, um Kosten und Mühen zu sparen, doch leider sieht man das in einigen Shots zu deutlich.

Doch diese kleinen visuellen Schwächen sind zu vernachlässigen, wenn man sich Storaros gesamtes Wirken an der Miniserie ansieht. Seine farbenfrohe Beleuchtung verleiht den Einstellungen immer wieder einen ästhetisch-surrealen Charakter, welcher die betreffenden Szenen optisch hervorhebt. Bei den Sequenzen auf Giedi Prime, dem Heimatplaneten der Harkonnens, verwendete Storaro Dutch Angles, um die strenge Architektur zu betonen. Das Szenenbild des Kroaten Milijen “Kreka” Kljakovic (Species 2, Die Säulen der Erde) arbeitet konsequent die unterschiedlichen Orte von Herberts Welt heraus. Aus meiner Sicht der Brüller sind aber eindeutig die Kostüme von Theodor Pištěk, der vor allem durch sein Mitwirken an diversen tschechischen Märchenfilmen wie Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (1973) oder Prinz und Abendstern (1979) große Bekanntheit erlangte. Seine Kreationen reichen von der einfach-funktionalen Bekleidung der Fremen, den nachtblauen Anzügen der Raumfahrtgilde-Agenten bis hin zu den äußerst schrill-monströsen Kleidern von Irulan oder der Ehrwürdigen Mutter Mohiam. Mein Favorit bleibt aber eindeutig das herrlich überdimensionale Schmetterlingskleid der Prinzessin. Ein echter Hingucker.

Der Drehort Pag ermöglichte nicht nur das Mitwirken von lokalen Crewmitgliedern hinter der Kamera, sondern stellte Harrison auch den Darsteller-Talentpool des Landes zur Verfügung. Und setzte man neben den Schauspielern aus den USA (Oscar-Gewinner William Hurt [Der Kuss der Spinnenfrau] als Leto Atreides und Matt Keeslar als Feyd Rautha), dem Vereinigten Königreich (Saskia Reeves als Lady Jessica, Ian McNeice [Rom] als monströser Baron Harkonnen, Julie Cox [Die unendliche Geschichte III] als Prinzessin Irulan, P.H. Moriarty [Bube, Dame, König, grAS] als Waffenmeister Gurney Halleck) und weiteren internationalen Mimen wie Uwe Ochsenknecht (Fußball ist unser Leben, Luther) als Fremen-Stammesführer Stilgar, Giancarlo Giannini (Sieben Schönheiten, Casino Royale) als Imperator sowie Lázlo I. Kish als brutaler Rabban für weitere wichtige Parts und unterschiedlichste Nebenrollen auf Schauspieler aus der Tschechischen Republik. Barbora Kodetová (Prinzessin Fantaghirò) verkörpert Chani, die Geliebte Pauls. Karel Dobrý (Mission: Impossible) ist als Planetologe Dr. Kynes zu sehen, der die Atreides-Familie mit den Gepflogenheiten auf Arrakis vertraut macht. Die autoritäre Ehrwürdige Mutter Gaius Helen Mohiam, eine hochrangige Ordensschwester der Bene Gesserit, gibt Zuzana Geislerová (Hostel 2). Jakob Schwarz (Ritter aus Leidenschaft) spielt Otheym, einen der Getreuen Muad’dibs. Als intrigante Höflinge Graf Fenring bzw. Piter de Vries sind außerdem Miroslav Táborský (Les Misérables [1998])und Jan Unger (Brothers Grimm) zu sehen. Obwohl die tschechischen Akteure in der Originalfassung mit hörbarem Akzent sprechen, wurden sie in der Post-Produktion nicht von anderen Sprechern nachsynchronisiert. Für den Protagonisten Paul Atreides/Muad’dib castete man den Schotten Alec Newman, der mit der Zeit in seine Rolle hineinwächst und in den Folgejahren Gastauftritt in diversen TV-Serien wie Star Trek: Enterprise absolvierte.

Als Fernsehdreiteiler bescherte Dune dem SyFy-Channel damals die höchste Quote, welche der Sender jemals zuvor erreicht hatte. Wohl auch deshalb bestellte man eine Fortsetzung in Form der Miniserie Children of Dune, welche mit Der Herr des Wüstenplaneten und Die Kinder des Wüstenplaneten die beiden nächsten Romane aus der Buchreihe adaptierte. John Harrison schrieb wieder die Skripts während Greg Yaitanes dieses Mai die Regie übernahm. Als dritte Verfilmung startet Dune vom 16. September 2021 in der Version von Denis Villeneuve in den Kinos. Der Inhalt des Romans soll dieses Mal auf zwei Kinofilme aufgeteilt werden.

Die dreiteilige Miniserie zu Dune – Der Wüstenplanet ist in mehreren Ausführungen auf DVD erschienen und seit Juni 2014 auch auf BluRay erhältlich. Bei Amazon, Apple TV und maxdome ist der Dreiteiler als kostenpflichtiger Stream abrufbar.

Fazit: Dank einer Laufzeit von knapp fünf Stunden überaus werkgetreue Adaption von Frank Herberts erstem “Wüstenplanet”-Roman mit illustrer Besetzung, herrlich überbordenden Kostümen und überwiegend gelungenem Setdesign. 8 von 10 Punkten.


Arrakeen, die Hauptstadt des Wüstenplaneten
 

Baron Harkonnen…
 

…und seine Neffen Rabban und Feyd.
 

Paul flieht mit seiner Mutter in die Wüste…
 

…wo sie von den Fremen aufgenommen werden.

 

 

Marius Joa, 22. August 2021. Bilder: Al!VE.

 

 

 

 


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