Zum Abschluss des diesjährigen Horroctobers/Schocktobers gibt es nach Lisa Frankenstein einen weiteren Film, den ich letztes Jahr im Kino leider verpasst habe, nämlich die deutsch-amerikanische Produktion Cuckoo, der zweite abendfüllende Spielfilm von Regisseur Tilman Singer (Luz).
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Cuckoo
Horror/Mystery Deutschland, USA 2024. FSK: Freigegeben ab 16 Jahren. 103 Minuten. Kinostart: 29. August 2024.
Mit: Hunter Schafer, Dan Stevens, Jan Bluthardt, Marton Csokas, Jessica Henwick, Mila Lieu, Proschat Madani, Kalin Morrow, Erik Singer u.a. Drehbuch und Regie: Tilman Singer.

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Der Schrei des Muttertiers
Nach dem Tod ihrer Mutter muss die 17jährige Musikerin Gretchen (Hunter Schafer) mit ihrem Vater Luis (Marton Csokas), Stiefmutter Beth (Jessica Henwick) und ihrer kleinen Halbschwester Alma (Mila Lieu) leben. Die Familie zieht in ein vom geheimnisvollen Herrn König (Dan Stevens) geleitetes Resort in den bayerischen Alpen, wo Luis als Architekt neue Gebäude für König entwerfen soll. Um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und etwas Geld zu verdienen bietet König Gretchen einen Job als Rezeptionistin in seinem Hotel an. In der Folge häufen sich merkwürdige Vorfälle. Alma erleidet plötzlich Krampfanfälle und Gretchen wird von einer schaurigen Frau (Kalin Morrow) auf dem Heimweg verfolgt. Zur Behandlung ihrer Anfälle geben Luis und Beth ihre kleine Tochter in die Behandlung von Dr. Bonomo (Proschat Madani), welche die dortige Klinik für Menschen mit chronischen Erkrankungen leitet. Gretchen trifft auf den Zivilpolizisten Henry (Jan Bluthardt), der sie in seine heimlichen Ermittlungen bezüglich des Todes einer Frau im Hotel einweiht…
Nach den Kurzfilmen The Events at Mr. Yamamoto’s Alpine Residence (2014) und El Fin del Mundo (2016) lieferte der deutsche Filmemacher Tilman Singer (geboren 1988) mit dem nur 70 Minuten langen Luz sowohl seine Abschlussart an der Hochschule für Medien Köln als auch seinen Debüt-Spielfilm vor. Der Horrorthriller über die titelgebende Taxifahrerin und eine dämonische Präsenz erwies sich als süffiger Retro-Trip mit herrlich körnigen Bildern und einem stimmigen Elektronikscore. Nach der Premiere auf der Berlinale im Februar 2018 wurde die Low-Budget-Produktion auch beim Internationalen Filmwochenende in Würzburg 2019 gezeigt, wo ich in den Genuss dieses besonderen Werkes kam.

Durchaus mit Vorfreude erwartete ich den nächsten Film Singers. Diesen konnte er für ein ordentlich Budget von ca. sieben Millionen Dollar mit internationalen Besetzung drehen. Stilistisch und inhaltlich ist sich Singer treu geblieben, auch wenn Cuckoo die ästhetische Süffigkeit des Vorgänger etwas abgeht und der Plot im letzten Drittel leider nachlässt.
Spielte Luz Anfang der 1990er und war hinsichtlich Design sowie Technologie in den 1980ern verortet, so verlegte Tilman Singer, der auch das Drehbuch schrieb, seinen zweiten Film in die Gegenwart, auch wenn man das eigentlich nur daran erkennt, dass Gretchen zwischenzeitlich ein Smartphone benutzt. Ansonsten wirkt die Szenerie (das Resort Alpschatten und die weiteren Gebäude, wie das Krankenhaus und die Bungalows) wie in den Achtzigern stehen geblieben. Vor allem die Ausstattung der Hotel-Rezeption scheint seit mindestens drei Jahrzehnten nicht verändert worden zu sein.
Mit erneut einigermaßen körnigen Bildern von seinem Stamm-Kameramann Paul Faltz, dieses Mal auf 35 mm eingefangen, und einem gekonnt schaurigen Sounddesign gelingt es früh eine unheimliche Atmosphäre zu erschaffen, in welcher sich die vom Verlust ihrer Mutter und in der Folge erlittenen Verletzungen gebeutelte Protagonistin wiederfindet. Bis sie auf den verdeckt ermittelnden Polizisten Henry trifft scheint Gretchen die einzige zu sein, die mitbekommt, dass im Resort und Hotel etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Wie schon bei Luz hat Paul Waskow auch dieses Mal wieder einen stimmungstreibenden Score komponiert.
Im letzten Drittel verliert Cuckoo allerdings bedauerlicherweise etwas an Spannung und erzählerischem Drive, nachdem die Hintergründe der absonderlichen Vorkommnisse enthüllt wurden. Besonders Hunter Schafer (Euphoria [Serie]) als Gretchen, Jan Bluthardt (Luz) als Henry und Dan Stevens (Legion), der nach Ich bin dein Mensch erneut seine fabelhaften Deutsch-Kenntnisse beweist, als König schaffen es, dass man den final etwas abstrusen Plot als Zuschauer*in ganz gut hinnehmen kann. Ich jedenfalls bin gespannt, was Tilman Singer als nächstes Projekt umsetzen wird.
Cuckoo ist auf DVD und BluRay erschienen, aktuell Teil des Angebots von Amazon Prime Video sowie als kostenpflichtiger Stream bei weiteren Anbietern erhältlich.
Fazit: Stimmungsvoller Mystery-Horror von Tilman Singer, dem am Ende erzählerisch leider etwas die Luft ausgeht. 7 von 10 Punkten.
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Marius Joa, 31. Oktober 2025. Bilder: Weltkino.


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