Sirens (2025)

Allein gelassen mit dem dementen Vater macht sich Devon Sorgen um ihre Schwester Simone, welche eine ungewöhnliche enge Beziehung mit ihrer Chefin, der Milliardärsgattin Michaela, führt, in der bei Netflix veröffentlichten Miniserie Sirens von Molly Smith Metzler.  

Sirens
Drama/Miniserie USA 2025. FSK: Freigegeben ab 12 Jahren. 5 Folgen. Gesamtlänge: ca. 280 Minuten. Starttermin: 22. Mai 2025.
Mit: Meghann Fahy, Milly Alcock, Julianne Moore, Kevin Bacon, Felix Solis, Bill Camp, Glenn Howerton, Trevor Salter, Josh Segarra, Lauren Weedman u.a. Idee: Molly Smith Metzler. Nach ihrem Theaterstück Elemeno Pea. Drehbuch: Molly Smith Metzler, Bekah Brunstetter, Colin McKenna. Regie: Nicole Kassel, Quyen Tran, Lila Neugebauer.



Von Trauma, Liebe und Anziehung

Die Mutter von Devon (Meghann Fahy) und Simone DeWitt (Milly Alcock) starb als beide noch Kinder waren. Weil ihr Alkoholiker-Vater Bruce (Bill Camp) Simone vernachlässigte, kam sie zeitweise in eine Pflegefamilie und wurde auch von der fünf Jahre älteren Devon versorgt. Nun sind beide DeWitt-Schwestern erwachsen. Devon lebt mit dem mittlerweile unter Demenz leidenden Vater und arbeitet im Falafel-Restaurant ihres alten Freundes Raymond (Josh Segarra). Als Simone einige Tage lang nicht auf Devons Anrufe und Textnachrichten reagiert macht sich die ältere Schwester auf den Weg zur Insel Port Haven. Dort arbeitet Simone als persönliche Assistentin für Michaela Kell (Julianne Moore), der Ehefrau des Milliardärs Peter Kell (Kevin Bacon). Devon bemerkt nicht nur, dass ihre Anwesenheit Simone irgendwie stresst, sondern auch die sehr innige Beziehung zwischen ihrer Schwester und Michaela. Festschlossen, Simone aus den „Fängen“ der geheimnisvollen Society Lady zu befreien, mischt sich Devon unter die gut betuchten Gäste der alljährlichen Gala…

2011 wurde das Theaterstück Elemeno Pea von Molly Smith Metzler (Orange Is the New Black) erstmals aufgeführt. Für den Streaminganbieter Netflix adaptierte die amerikanische Autorin das Stück zu einer fünfteiligen Miniserie, die von Juli bis Oktober 2024 gedreht wurde. Aufmerksam wurde ich auf Sirens vor allem durch das Casting von Julianne Moore (Oscar-Gewinnerin für Still Alice – Mein Leben ohne Gestern), die mich 2024 mit gleich drei starken Performances – in Todd Haynes „Beziehungsdrama“ May December, Pedro Almodóvars erstem englischsprachigen Spielfilm The Room Next Door und der düsteren Historien-Miniserie Mary & George von D.C. Moore – durchaus begeistert hatte. Doch der Fünfteiler hat noch Einiges mehr zu bieten.

Michaela Kell

Der Serientitel spielt natürlich direkt auf die Sirenen an. In der antiken griechischen Mythologie handelt sich dabei um Mischwesen aus Frau und Vogel, welche durch ihren betörend-schönen Gesang Seefahrer Verderben bringen. Die Variante als Frau/Fisch-Hybrid wiederum stellt eine Verbindung zu den Meerjungfrauen her. Passenderweise betreibt die von Julianne Moore verkörperte Milliardärsgattin Michaela eine Auffangstation für verletzte Greifvögel und eine Wohltätigkeitsorganisation zur Finanzierung dieser Tierrettungsaktivitäten. Weil sich die reiche Wohltäterin und ihre Assistentin Simone so nahe stehen, vermutet Devon, dass Michaela ihre Schwester irgendwie einer Gehirnwäsche unterzogen hat. Vielleicht besitzt die undurchsichtige Gastgeberin aber auch eine besondere Fähigkeit, andere zu manipulieren.

Doch Molly Smith Metzler, ihre Co-Autor*innen Bekak Brunstetter (This Is Us) und Colin McKenna (Maid [Miniserie]) sowie dem Regisseurinnen-Trio Nicole Kassell (Watchmen [Serie]), Quyen Tran (u.a. Kamerafrau bei Palm Springs) und Lila Neugebauer (The Sex Life of College Girls) liefern hier keinen reißerischen Intrigenstadel ab, sondern ein Drama mit humorvollen Momenten und psychologischer Unterfütterung, wobei sich der Titel auf alle drei weiblichen Hauptfiguren bezieht. Ihre Dynamik, ihre weibliche „Anziehungskraft“ und deren Auswirkungen stehen im Zentrum der Miniserie.

Obgleich die DeWitt-Schwestern und Michaela Kell finanziell Welten trennt so zeigt sich im Verlauf der gut viereinhalbstündigen Miniserie, dass die drei Frauen einander gar nicht so unähnlich sind. Denn auch die einflussreiche und geheimnisvoll-charismatische Milliardärsgattin kommt ursprünglich aus einfachen Verhältnissen, genau wie ihre Assistentin und deren Schwester. Michaels Ehemann hat hingegen das von seiner Familie geerbte Vermögen nur vergrößert. Hier zeigt sich auch der Unterschied der beiden Schwestern. Während Simone trotz ihres anspruchsvollen Jobs das süße Leben bei den Kells genießt, so sieht Devon den ganzen Reichtum und die Dekadenz eher skeptisch.

Sirens liefert hier und da Andeutungen auf mögliche Geheimnisse, um die Angelegenheit dann ganz anders zu entwickeln. Die Geschichte nimmt die ein oder andere überraschende Wendung, aber fast immer gestalten sich diese organisch. Lediglich das Finale wirkt etwas überhastet und schmälert den positiven Gesamteindruck ein wenig. Auch wenn der Fünfteiler hinsichtlich seiner Laufzeit ansonsten gut passt, so wären etwa dreißig Minuten mehr sehr wahrscheinlich keine schlechte Entscheidung gewesen.  

Dennoch bleibt die dicht verwobene Handlung über familiäre Beziehungen, Traumata und Schicksalsschläge, sowie Anziehung und die Macht von Frauen in einer immer noch von Männern dominierten Welt überaus gelungen. Dazu trägt auch die unaufdringlich-hypnotische Inszenierung bei, welche immer wieder mit dezent weich gezeichneten Bildern und einem Score mit vokalisierendem Gesang arbeitet. Die sehr präsenten Pastellfarben bei Ausstattung und Kostümen erzeugen ein Barbieland, wie es sich Superreiche wohl erträumen.

Der spannendste Punkt bleibt aber die Dynamik des titelgebenden Frauentrios untereinander sowie mit den männlichen Figuren. Die Sirenen haben jede für sich ihre besondere Anziehungskraft, doch die sich zu ihnen hingezogenen Herren der Schöpfung sind für das eigene Verhalten selbst verantwortlich. Das mythologische Motiv wird hier mit modernen Befindlichkeiten einem treffenden Update unterzogen. Und Molly Smith Metzler kann sich auf ihr Ensemble verlassen. An der Seite von Meghann Fahy (The White Lotus: Staffel 2) als Devon und Milly Alcock (House of the Dragon, Upright) als Simone beweist Julianne Moore einmal mehr große Präsenz und Ausstrahlung mit scheinbar wenig Mühe. Stark zudem die Performance von Bill Camp (The Killing of a Sacred Deer) als Bruce, Devons und Simones dementer Vater, der zwischen verwirrten und lichten Momenten alterniert.       

Die komplette fünfteilige Miniserie Sirens ist seit dem 22. Mai 2025 Teil des Angebots von Netflix.

Fazit: Faszinierende, wendungsreiche Miniserie über drei Frauen im Spannungsfeld von Reichtum und familiären Banden. 8 von 10 Punkten.


Devon macht sich Sorgen um Simone
Michaela kümmert sich um Greifvögel
Milliardär Peter Kell



Marius Joa, 18. Juli 2025. Bilder: Netflix.


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